Der asiatische Teil der Türkei ist so gross, dass wir uns für die Durchquerung Höhepunkte ausgesucht und realistische Teilziele gesteckt haben. So halten wir die Motivation hoch, auch wenn wir auf unserer 1:1’100’000 Karte nur ganz langsam vorankommen. Zwischen den Höhepunkten suchen wir uns die vielversprechendsten Verbindungen, wobei die spannendsten Begegnungen und Erlebnisse immer ganz unerwartet unterwegs passieren.

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Nach Istanbul war unser erstes grosses Ziel das genau südlich gelegene Pamukkale mit seinen fotogenen Sinterterrassen. Die Ausfahrt aus Istanbul ersparten wir uns und nahmen stattdessen die Fähre übers Marmarameer nach Yalova. Auf grösseren (zum Vorankommen) und kleineren (zum Geniessen) Strassen fuhren wir über Iznik nach Eskisehir. In den Städten und Dörfern mussten wir viele Hände schütteln, wurden neugierig ausgefragt und durften in viele Telefon sprechen. So wurde z.B. der Präsident des Veloclubs von Bilecik von einem Freund über WhatsApp informiert, dass sich zwei Tourenfahrer in der Stadt befänden. Weil er nicht vor Ort war, schickte er nach einem kurzen Telefon seine Freundin für einen persönlichen Besuch bei uns vorbei 🙂

Anfang Juli fand das Islamische Opferfest statt: Jede Familie sollte zu diesem Anlass ein Tier opfern, wobei das Fleisch im Familienkreis, unter Verwandten und engen Bekannten sowie traditionell unter den Armen und Hungrigen verteilt wird. In den Hinterhöfen hingen Schafe oder Rinder ohne Fell und ohne Kopf, Leute mit ihren Fleischwölfen standen an der Strasse und hatten Hochbetrieb. Mit uns hungrigen 😉 Velofahrern wurde zum Glück kein Schaf sondern Ayran, Pide und Tahini-Würfel von einem Picnic geteilt.

Von Eskisehir aus wählten wir den direkten Weg nach Afjonkarahisar, welcher uns durch das Phrygische Tal führte. Hier konnten wir als einzige Touristen weit und breit Felsgräber und -portale aus dem 8. bis 6. Jh v. Chr. bewundern. Durchs Hinterland schlichen wir uns den Sinterterrassen, Touristenmassen und heissen Temperaturen von Pamukkale an. Der Campingplatz befand sich in einer Badi mit viel Halligalli – ganz ungewohnt für uns. Beim Spaziergang auf den Terrassen waren wir vom Menschenstrom fast so angetan wie von den schönen, weissen Pools. Wir hatten ein Gaudi, genossen das warme Wasser der Sinterterrassen und schossen selbstverständlich viele Fotos.

Nun ging die Reise ostwärts via den See Salda Gölü und einen wunderbaren (namenlosen) Pass nach Beysehir weiter. Konya war die nächste grosse Stadt auf unserer Route. Hier wollten wir einen Velomechaniker aufsuchen (Davids Velo knackte beim Pedalieren) und uns über Wandermöglichkeiten im Ala Dağlar Nationalpark informieren. Das Outdoorgeschäft, von welchem wir uns Kartenmaterial oder Informationen zum Wandern erhofft hatten, war leider geschlossen. Dafür hatten wir mit dem Velomechaniker ein Riesenglück! Das angepeilte Velogeschäft Bikes and Art öffnete gleich seine Türen. Der Mechaniker setzte sich auf Davids Velo, schloss die Verdachtsdiagnose eine kaputten Tretlagers aus und machte ad hoc einen allumfassenden Service inkl. Wechsel des kleinsten hinteren Ritzels. Weil wir vom Service und der Professionalität so hellauf begeistert waren, durfte sich mein Velo anschliessend dem gleichen Spa-Programm unterziehen. Bei mir wurde spontan das Lagerfett der Hinterradnabe gewechselt, da diese schwerfällig lief und das Mini-Löchli im Pneu geflickt, welches wir nie gefunden hatten. Falls jemand seinem Velo etwas Gutes tun möchte: die Fahrt nach Konya dauert 3 Monate und hat viel zu bieten :-). Der Service dauert pro Velo ca. 1.5 Stunden, sodass noch genügend Zeit bleibt, das Mevlânâ- und Plättli-Museum zu besichtigen.

Ab Konya erwartete uns viel Flachland, leider mit recht starkem Gegenwind (bis zu 40km/h). Da nützte es nicht viel, dass unsere Velos wie neu funktionierten… wir mussten kräftig in die Pedale treten und uns alle 5km mit Gegenwindfahren ablösen. Am ersten Abend auf der Ebene durften wir sehr unkompliziert an einer Tankstelle übernachten (wie ein Mähdrescher-Fahrer und sein Mechaniker auch). Es war keine ruhige Nacht aber ein tolles Erlebnis und gelebte Nächstenliebe des Tankstellenwarts. Die zweite Nacht verbrachten wir am Salzsee Tuz Gölü bei Eskil. Was sehr romantisch klingt, war in Realität v.a. staubig und klebrig. Am nächsten Morgen «duschten» wir in der öffentlichen WC-Anlage von Eskil und wuschen unsere Kleider. Nein, öffentliche WC-Anlagen verfügen über keine Duschen. Aber weil die Toilette ohnehin einfach ein Loch im Boden ist, kann man sich darüber mit der Flaschendusche (= PET-Flasche mit Löchern im Deckel als Bruse – made by David) abduschen.

Am dritten Tag wehte der Gegenwind am heftigsten und wir waren sehr froh, dass wir es trotzdem bis Aksaray schafften. Hier wollten wir (nach Rückfrage) an einem schönen aber total verghüderten Platz am Fluss zelten. Wir waren noch daran für die Fläche unseres Zeltes den Abfall wegzuräumen, als plötzlich ein stockbesoffener Mann auf einem nicht funktionierenden Töff den Hang zu uns hinunter fuhr. Er blieb im Schilf stecken und unter dem umgefallenen Motorrad liegen. Zuerst lachten wir noch… als jegliche Rückmeldung des Gestürzten ausblieb, musste David den Töff samt Fahrer aufstellen und aus der misslichen Lage befreien. David versuchte den Mann zu überzeugen, dass es besser sei, den Töff aus dem Schilf zu schieben als ihn wieder zu starten. Nachdem wir den Namen des betrunkenen Töfffahrers (Mustafa) erraten hatten, schoben die beiden den Töff zu unserem Plätzchen hoch. Ich holte unterdessen einen der Männer, die wir wegen dem Zelten gefragt hatten. So konnte wenigstens jemand mit dem betrunkenen Mustafa reden. Dieser torkelte im Kreis herum, bedankte sich wortreich bei uns und meinte, wir seien vom Himmel geschickte Engel;-) Schlussendlich setzte sich Mustafa auf den Töff und rollte den nächsten Hügel in das Bächlein runter, wo er wieder stecken blieb. Der dazu geholte Mann riet uns, weiter oben am Fluss zu übernachten, da hier abends viel Alkohol konsumiert würde. Wir machten uns aus dem Staub und sie riefen einen Mechaniker für den im Bach feststeckenden Töff…

Obwohl wir kaum Infos und schon gar keine Karten zum Ala Dağlar Nationalpark finden konnten, nahmen wir die Zusatzschlaufe auf dem Weg nach Kappadokien (unser zweites grosses Ziel) auf uns. Die extra Kilometer wurden mit einem eindrücklichen Panorama belohnt! In den ersten Tagen sahen wir vom Nationalpark vor allem den offiziellen Campingplatz. Wir waren beide angeschlagen, hatten Halsweh und David musste sein Fieber ausschlafen. Wegen unseres langen Aufenthalts kamen wir mit den Camping-«Nachbarn» in regen Kontakt, was sehr unterhaltsam und kurzweilig war. Immer wieder durften wir köstliches türkisches Essen und frische Früchte probieren.

Selbst vor Ort gab es keine Informationen zu Wandermöglichkeiten. Schliesslich fanden wir auf der Plattform «wikiloc» einige Routen und beschlossen am letzten Tag unseres Aufenthalts, die Besteigung des Emlers (3723m) zu versuchen… Den Start verkürzten wir mit Autostopp, was ein Glücksfall war: Der Beifahrer kannte sich im Gebiet hervorragend aus und erklärte uns alle Abzweigungen auf der Route ganz genau. Die Besteigung des Emlers war technisch einfach aber kräftezehrender als gedacht.

Am nächsten Morgen sassen wir noch am Zmorge, als der Beifahrer von gestern vorbeikam, um uns ein Exemplar des türkischen Wanderführers «AdimAdim Ala Dağlar» inkl. Karte sowie frische Aprikosen aus seinem Garten zu schenken. Wir hatten eine riesige Freude an den Früchten und vor allem am professionellen Wanderführer, mit welchem (nun) die Planung eines eigenständigen Mehrtagestrekkings möglich wäre! Seit wir gesehen haben, wie Gepäck und Essen transportiert werden, käme ein geführtes Mehrtagestrekking für uns nicht mehr in Frage: Oft werden die überladenen Tragpferdchen erbarmungslos über Stock und Stein gejagt.

Trekking im Ala Dağlar Nationalpark

  • Website mit einigen Routen: www.wikiloc.com
  • Wanderführer mit guter Karte: AdimAdim Aladaglar auf türkisch (ISBN: 978-625-00-9302-3). Der Wanderführer sollte demnächst ins Englische übersetzt werden. Unser Exemplar wird sich bald in der Schweiz befinden und kann gerne ausgeliehen werden.
  • Übernachtungen:
    • Camping ist bei der offiziellen Nationalparkhütte TDF Dağ Evi in Demirkazık möglich.
    • Es gibt verschiedene Übernachtungsmöglichkeiten in Çukurbağ.
    • Im Hochgebirge befinden sich designierte Lagerstellen, wo campiert werden kann.
  • Verpflegung:
    • Die nächstgelegenen Lebensmittelgeschäfte/Supermärkte sind in Çamardı.
  • Schwierigkeit:
    • Variierend (Emler: T3).
    • Keine Markierung, Weg meist gut sichtbar.

Für die Fahrt vom Ala Dağlar Nationalpark nach Kappadokien haben wir zwei Tage gebraucht. Unterwegs konnten wir in Soğanlı bereits einige Felsformationen und -behausungen besichtigen. Hier in Göreme werden wir nun einige Tage bleiben, in einem Felszimmer hausen und die Landschaft Kappadokiens erkunden.