Mit dem frisch ausgestellten Iran-Visum im Gepäck verliessen wir Tbilisi in nord-östliche Richtung. Nachdem die letzten Passfahrten über Schotterstrassen viel einfacher waren als befürchtet, nahmen wir die Reise über den 2826m hohen Abano-Pass in den Tusheti Nationalpark guten Mutes in Angriff. Den Anstieg von insgesamt 2600Hm wollten wir in zwei Tage aufteilen, da es auf halber Höhe Trinkwasser, heisse Quellen und scheinbar den einzigen flachen Ort gab, wo wir unser Zelt aufstellen konnten.

Aktiviere Karte Deaktiviere Karte

Schnell stellten wir fest, dass uns die bis 16% steile, teils schlechte und abschüssige Strasse physisch und psychisch herausforderte! Wir pedalierten (oder murksten) fast immer im kleinsten Gang, höher schalteten wir nur, damit wir später wieder runterschalten konnten 🙂
Dass wir den Tusheti Nationalpark auf dem gleichen Weg wieder verlassen mussten, stimmte uns nicht zuversichtlicher. Trotz schöner Landschaft mit zunehmend herbstlichen Wäldern war der Aufstieg also kein wirklicher Genuss…

Als wir nachmittags bei der Abzweigung zu den heissen Quellen ankamen, war der Weg dorthin durch einen Erdrutsch verschüttet und ein Bagger war daran, die Strasse wieder freizuschaufeln. Uns blieb nichts anderes übrig, als kräftig in die Pedale zu treten und weiter oben auf ein flaches Plätzchen zu hoffen. Einige Serpentinen später konnten wir unser Zelt bei einem alten Hochspannungsmast aufstellen – es blieb die einzige Camping-Möglichkeit im gesamten Aufstieg:-)

Am nächsten Tag kurbelten (oder schoben) wir die restlichen 1000Hm bis zum Pass hoch, genossen eine landschaftlich grossartige Abfahrt und erreichten zum Zmittag unseren Zielort Omalo. Bei einem leckeren, frisch gebackenen Khachapuri und wunderschöner Aussicht in die Bergwelt waren die steilen Kurven und Sorgen über die Rückfahrt schnell vergessen.

Den Ausflug ins hübsche Tusheti-Bergdorf Dartlo, konnten wir nur halbwegs geniessen: Das Panorama und das Dorf haben uns sehr gefallen… aber auf dem Rückweg mussten wir uns mehrmals übergeben.Wir hatten dem «Trinkwasser» beim Cafe zu sehr getraut 🙁
Auf einen weiteren Halbtagesausflug im Tusheti Nationalpark verzichteten wir und erholten uns stattdessen bei georgischem Fladenbrot und leckerem Thymiantee.
Bereits am nächsten Tag mussten wir (noch etwas angeschlagen) die zweitägige Rückfahrt starten, um den Pass vor dem angekündigten schlechten Wetter zu bewältigen. Nach einer kühlen Nacht konnten wir am Morgen auf dem Abano-Pass den Hirten zuschauen, die mit unzähligen Schafen und mit Ziegen im Vortrab durch die steilsten Gebirgshänge zogen. Geier kreisten über der Herde und hofften (vergebens) auf ein abgestürztes Schaf. Nach diesem Spektakel genossen wir eine rasante Abfahrt von 33km und 2600 Höhenmeter in nur 3.5 Stunden ;-).

Unser Timing war perfekt, sodass wir am nächsten Tag bei Gewitterregen eine traditionelle Weinkellerei in Kvareli besichtigen konnten. Nach einer spannenden Führung degustierten wir bereits um 11 Uhr vormittags den vorzüglichen Wein. Mit fröhlicher Stimmung und bei nun schönem Wetter fuhren wir dem Vashlovani Nationalpark entgegen.

Der Nationalpark umfasst v.a. steppenartige Grasweiten und karge Canyonlandschaften ohne Infrastruktur und mit wenigen Wasserstellen. Deshalb wollten wir uns beim Visitor Center in Dedoplistskaro detailliertere Informationen beschaffen, zumal wir ohnehin ein Permit für den Park benötigten. Die einzige (für uns erhältliche und verständliche) Auskunft war, dass der Park (80km) weit weg sei… Über das Vorhandensein von Wasser oder die Beschaffenheit der Fahrwege konnte uns leider niemand etwas sagen. Nach gründlicher Überlegung entschieden wir uns, den Nationalpark mit unserer Offlinekarte als einzige Informationsquelle zu besuchen. Mit Lebensmitteln für drei Tage, genügend Wasser und den erforderlichen Permits fuhren wir los. Aus der geplanten Rundtour wurde schliesslich eine sehr lohnende Hin- und Rückfahrt durch die eindrückliche Prärielandschaft.

Die Fahrt zurück Richtung Westen führte uns ab Dedoplistskaro durchs Weinland bis Telavi. Hier bleiben wir nun ein Weilchen und absolvieren unseren ersten Workaway-Einsatz. Wir helfen einem jungen Paar gegen Kost und Logis bei der Renovation ihres Guesthouses und erhalten so Einblick in den georgischen Alltag. Nach fünf Monaten unterwegs auf dem Velo geniessen wir diese sesshafte Zeit, die abwechslungsreiche Arbeit sowie die gute Stimmung bei unseren tollen Gastgebern sehr!

Nachtrag zu unserem Beitrag «Unterwegs in Georgien»

Das zweitwichtigste Exportgut von Georgien sind Gebrauchtwagen. Die Autos werden im Ausland mit Totalschaden gekauft und in Georgien zusammengeflickt, verkabelt sowie neu lackiert. Leider fehlen den Händlern oft die gleichen Baugruppen, wie z.B. die Stossstange oder die Kühlerhaube. Viele Autos fahren deshalb unvollständig geflickt herum.

Einen interessanten Artikel dazu gibt es auf eurasianet.org.