Mit der Einreise nach Jordanien erlebten wir den bisher grössten Kulturschock unserer Reise. Beim Ausfüllen des Einreiseformulars lachten wir darüber, dass David angeben musste, mit wie vielen Ehefrauen er reist. Am nächsten Morgen realisierten wir, wie ernst diese Frage in Jordanien gemeint ist. Mehr dazu später…

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Im Grenzposten nahm uns der freundliche Polizeichef zur Seite und fragte, ob wir wüssten, was in Jordanien gerade passiere? Wir sollten vorsichtig sein und uns nach Einbruch der Dunkelheit nicht fortbewegen. Später fanden wir heraus, dass an diesem Wochenende die Proteste wegen hohen Treibstoffpreisen eskaliert waren. Chauffeure haben gestreikt, es wurden Strassenblockaden errichtet, Pneus angezündet und mehrere Polizisten getötet. Wir waren gewarnt, gingen aber davon aus, dass unsere Reisepläne durch die Proteste nicht beeinträchtigen würden.
Während der Fahrt durch die ewig langen, armen Dörfer im Jordantal änderte sich unser Eindruck schnell. Einmal wurden wir auf die Gegenfahrbahn umgeleitet, weil sich auf unserer Spur eine Massenschlägerei ereignete. Ein Mann richtete aus dem Auto ein Pistolenzeichen auf uns, viele spielten vor, uns mit Steinen zu bewerfen oder den Lenker herumreissen zu wollen. Alles waren nur Gesten und keine Taten, aber wir hatten zum ersten Mal das Gefühl, an einem Ort überhaupt nicht willkommen zu sein. Uns war so mulmig, dass wir an diesem Abend keinesfalls irgendwo draussen im Zelt übernachten wollten. Aus der Türkei waren wir uns gewohnt, dass Reisende bei Moscheen immer übernachten können. Also haben wir vor Einbruch der Dunkelheit bei einer Moschee angehalten und gefragt, ob wir hier bleiben dürften. Unsere Frage ging über einige Personen bis zum Imam. Dieser erklärte, die Moschee sei für uns nicht zugänglich, wir könnten aber bei ihm vor dem Haus zelten. Wir nahmen die Einladung zum Übernachten und Essen (ohne höfliches Ausschlagen) sehr gerne an.

Beim leckeren Znacht erhielten wir einen Crashkurs, wie man korrekt von Hand aus den allgemeinen Schalen isst. Nach dem Essen diskutierten wir mit dem Imam und seiner Familie unsere Routenwahl durch Jordanien. Die Strassen nach Amman seien aufgrund von «Bauarbeiten» gesperrt. Wir vermuteten, dass sich in diesen Regionen die Proteste zugespitzt hatten, er uns dies aber nicht sagen wollte. Später im Zelt schmiedeten wir Pläne, wie wir am schnellsten durchs Land kommen. Um möglichst auf den (sicheren) Touristenpfaden zu bleiben und arme Dörfer / (Vor)Städte zu meiden, wollten wir (ohne Abstecher nach Amman) dem Toten Meer entlang nach Petra und ins Wadi Rum fahren.
Nach einer ruhigen Nacht sahen wir unserer Weiterreise etwas gelassener entgegen. Zudem brachte uns die Unterhaltung beim Zmorge auf andere Gedanken… Der Imam erklärte (in Anwesenheit seiner Frau), dass er sich eine weitere Frau nehmen würde, um mehr Kinder zu bekommen (er hat erst 6…).😮

Am Toten Meer wimmelte es von Militärs, die mit ihren gepanzerten Fahrzeugen alle 2km entlang der Strasse stationiert waren. Von der aufgeheizten Stimmung war überhaupt nichts zu spüren, nur die Überreste von vielen ausgebrannten Reifen zeugten davon.

Südlich des Toten Meers verliessen wir die stark befahrene Strasse und bogen Richtung Gebirge ab. Mit jedem gewonnenen Höhenmeter fühlten wir uns wohler. Bald hatten wir uns mit dem Land versöhnt und genossen die wunderbare Landschaft, die leckeren Süssigkeiten und den vorzüglichen Türkischen Kaffee mit Kardamom. Nach dem ersten Tag waren die Begegnungen mit Erwachsenen durchwegs sehr positiv und freundlich. Mangels Perspektiven und weil betteln einträglicher ist, als die Schule zu besuchen, übten viele Kinder mit uns ihre zwei einzigen Wörter Englisch: «hellohello, moneymoney»…

Zu jeder Jordanienreise (auch zu unserer) gehört ein Besuch von Petra. Hier lebten vor 2500 Jahren die Nabatäer, welche dank des Handels von Weihrauch und Myrrhe reich wurden. Sie bauten beeindruckende Tempel(fassaden) für ihre Gräber, die heute Schauplatz zahlreicher Filme sind und täglich Tausende Touristen anziehen. Wie (vielleicht) zu früheren Zeiten, dienen Esel und Kamele im weitläufigen Gelände als Fortbewegungsmittel. Die unzähligen Souvenirstände sind wohl eine Erscheinung aus der neueren Zeit…😉
Durch Kälte und Nebel erreichten wir den nächsten Touristenmagnet, das Wadi Rum. Die Wüstenlandschaft mit dem roten Sand und den schwarzen Felsen ist in Realität viel weniger romantisch und einsam als im Prospekt oder auf Instagram.

An jeder Ecke wurde ein «ursprüngliches» Beduinencamp errichtet. Die Camps unterbieten sich nun mit Übernachtungspreisen inkl. Halbpension, «offerieren» jedoch quasi-obligatorische Jeep- oder Kameltouren. Dank ausführlicher Recherche fanden wir ein Camp, wo wir neben den Kamelen zelten und fürs köstliche Essen bezahlen konnten. Uns wurde keine Tour aufgedrängt, wir gingen ganz ungezwungen spazieren und die Weihnachtstage verstrichen schier unbemerkt. Dies lag auch daran, dass wegen möglichen Protesten am arabischen Wochenende das Internet blockiert wurde😊. Die Weiterfahrt Richtung Saudi Arabien starteten wir erst, nachdem wir den gröbsten Regen (!) im gemütlichen Camp ausgesessen hatten…