Nur zwei Velostunden ausserhalb von Samarkand standen wir bereits an der Grenze zu Tadschikistan. Die ersten Eindrücke vom neuen Land waren grossartig: gute Strassen, die wunderbare Sicht auf das Fann-Gebirge, Englisch sprechende junge Frauen, die sich beim Teehalt mit uns unterhielten, zwei frische Brote von der Bäckerfamilie, die mit uns Selfies machte… Wir waren begeistert, fühlten uns wohl und willkommen!

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Ganze Gruppen von Kindern rannten am Strassenrand auf uns zu und schrien «Hello, Hello»! Wenn wir stoppten, wurden wir sofort mit höflichen Fragen durchlöchert und jedes Detail unserer Velos wurde genaustens studiert. Bereits am zweiten Tag trafen wir Leon, der darauf insistierte mit uns zusammen seinen Geburtstag zu feiern. Neben dem obligaten Plov wurde reichlich tadschikischer Cognac nachgeschenkt, sodass David am nächsten Tag mit schweren Beinen in die Berge fuhr😉.

Für ein mehrtägiges Trekking über die bis zu 4000m hohen Pässe in den Fann Mountains waren wir erwartungsgemäss zu früh in der Saison. Auf den beiden Abstechern zu den Seven Lakes und zum Artuch Alplager konnten wir etwas Bergluft schnuppern und das Panorama mit Seen und verschneiten Gipfeln geniessen. Stellenweise mussten wir unsere Velos zu zweit über die steile Piste zum Artuch Alplager hochschieben, was mir sämtliche Nerven und Kräfte raubte. Im Alplager staunten wir nicht schlecht, als wir unsere Velofreunde aus Deutschland wiedertrafen (Link zu ihrem Blog), die wir einige Tage zuvor im Tal kennengelernt hatten. Beruhigt vernahmen wir, dass auch für sie der Aufstieg ein Murks war. Sie reisten am nächsten Morgen weiter, während wir einen kalten Regentag aussassen und ausgeruht eine schöne Wanderung unternahmen.

Zurück im Tal führte unsere Route entlang dem wunderschönen Zarafshon-Tal bis nach Ayni. Hier mussten wir akzeptieren, dass wir auf dieser Reise nicht über den Pamir-Highway nach Kirgistan fahren können. Wegen Wasserkonflikten sind die alle Grenzübergänge zwischen Tadschikistan und Kirgistan geschlossen. Bis zuletzt hatten wir gehofft, dass sich die Gerüchte über eine Grenzöffnung für Touristen im Pamir bewahrheiten. Weil dies leider nicht passierte und wir keine 2000km lange Sackgasse auf uns nehmen wollten, entschieden wir uns in Ayni definitiv, über den Shahriston-Pass nach Usbekistan zurückzukehren.

Die Passstrasse führt zuoberst durch einen 5km langen Scheiteltunnel ohne Licht oder Belüftung, mit dem Velo verständlicherweise verboten. Die Suche nach einer Mitfahrgelegenheit nahmen uns die Sicherheitsleute am Tunneleingang ab. Sie riefen für uns ein Transport-Taxi: ein uralter Lada mit zersprungener Windschutzscheibe, kaputten Türen und nicht mehr schliessenden Fenstern. Mit den Velos auf dem Dach bzw. im Kofferraum und den Taschen auf dem Rücksitz brachte uns der Fahrer im klapprig Lada mit schummrigen Scheinwerfern ans andere Ende des Tunnels. Wenn er öfter Velofahrer durch den Tunnel transportiert, kann er sich hoffentlich bald ein vertrauenswürdigeres Fahrzeug leisten😊.

Bis in die nächste Stadt Khujand ging es praktisch nur bergab und fast wie von alleine. In Khujand besichtigten wir die grösste verbleibende Lenin-Statue von Zentralasien und stürzten uns kurz ins Getümmel des Basars. Unser Aufenthalt in Tadschikistan war damit schon fast zu Ende. Gerne hätten wir das schöne Land mit seinen erfrischend fröhlichen und sehr gastfreundlichen Menschen ausführlicher erkundet… ein Andermal😊. Unsere Begeisterung fürs Land, bzw. für die Region welche wir bereist haben, wurde nur von den allgegenwärtigen Zeichen eines barbarischen Brauchs getrübt: im Irrglauben, dass die Esel in der dünnen Bergluft nicht genügend Sauerstoff erhalten, werden ihnen die Nüstern aufgeschnitten. Sie sollen dadurch leistungsfähiger und ausdauernder werden. Der Anblick der geplagten Esel machte uns so traurig, dass wir nicht einmal ein explizites Beweisfoto machten…

Bei der erneuten Einreise nach Usbekistan interessierten sich die Grenzbeamten erstmals auf unserer Reise für die Reiseapotheke. Sie befürchteten die Einfuhr von illegalen Opiaten oder Psychopharmaka und schauten sich deshalb (nur die Reiseapotheke) sehr genau an. Gelassen gaben wir Auskunft darüber, dass Immodium gegen «too much toilet» helfe und durften alles wieder einpacken😊.

Im Ferganatal trafen wir zu unserer Freude viel bessere Strassen als im restlichen Usbekistan und kräftigen Rückenwind. Nur die Suche nach Zeltplätzen war im dicht besiedelten und bebauten Gebiet schwierig (10 Millionen Menschen auf der halben Fläche der Schweiz). Wir hatten aber Glück und fanden immer ein gutes Plätzchen. An einem Abend fragten wir einen Bauern, ob wir neben seinen Feldern campieren dürften. Er wollte ein so guter Gastgeber sein, dass er uns nachts um 23h weckte, um uns Kefir, Kirschen und Wodka zu bringen. Den Wodka nahm er glücklicherweise wieder mit, den Rest genossen wir zum Zmorge. Eine andere Nacht durften wir in der Datcha eines netten Herrn verbringen, den wir an einem Bewässerungskanal nach einer Übernachtungsmöglichkeit gefragt hatten. Er verköstigte uns mit Plov, Brot und Tee und forderte David zum Billiard heraus. Den Wodka (mit Erinnerung an den Cognac) konnten wir auch hier abwehren😊. Wir planten unsere Fahrt so, dass wir in Qo’qon den Khan-Palast aus dem 19 Jahrhundert, in Rishton eine Töpferei und in Margilon eine Seidenfabrik besichtigen konnten. Obwohl die Seidenfabrik im Um- und Ausbau stand, war die Führung sehr interessant. Einige Tage zuvor hatten wir uns im Internet über die Seidenproduktion schlau gemacht und sind dabei auf diesen Film (extern auf Youtube) gestossen. Einzelne Schritte daraus konnten wir in Margilon vor Ort sehen.

Obwohl Kirigistan und Usbekistan eine gemeinsame Grenze von 1314km Länge haben, gibt es für Ausländer nur zwei offene Grenzübergänge! Wir entschieden uns, den Fussgänger- und Velofahrer-Übergang in Izboskan zu nehmen und von da aus nach nach Arslanbob zu pedalieren. Hier übernachten wir in einem Guesthouse und machen uns bereit für eine dreitägige Wanderung in der wunderbaren Bergwelt.