Auch der zweite Aufenthalt in Kununurra ging rasend schnell vorbei. Abgesehen von geselligen Abenden mit Ann standen kleine frühmorgendliche Wanderungen zum Sonnenaufgang auf den Aussichtspunkt Kellys Knob und durch den nahen Mirima Nationalpark auf dem Programm.

Zudem beschäftigte uns die Planung und Organisation der bevorstehenden Etappe über die Gibb River Road. Diese Strasse wurde in den 1960er Jahren als Beef Road angelegt, um Rinder von entlegenen Höfen in der Region Kimberly nach Derby zu transportieren. Heutzutage wird die gut ausgebaute Allradstrecke während der Trockenzeit hauptsächlich von einheimischen 4×4-Touristen befahren.

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Für die 600 Kilometer Holperpiste mit sehr spärlichen Einkaufsmöglichkeiten und wenig Trinkwasser kalkulierten wir zwei Wochen Fahrzeit ein. Doof, dass allein das Essen für diese kleine Expedition über 30 Kilogramm wiegt und viel Platz braucht… Wie soll das gehen?
Auf halber Strecke liegt das Mount Barnett Roadhouse, wo wir telefonisch anfragten, ob wir Essen deponieren dürften? Überhaupt kein Problem! Prima, jetzt brauchten wir nur noch einen Transporteur. Dank einem Beitrag in der Facebook-Gruppe der Gibb River Road wurden wir nicht nur zur Lokalprominenz, sondern kamen auch in Kontakt mit Gary, dem Fahrer und Reiseführer eines Tourbusses, welcher uns seine Hilfe anbot.

Wir hatten noch nie für 14 Tage Vorrat eingekauft: 4kg Haferflocken, 1kg Weinbeeren, 17 Packungen Chips & Crackers, 1kg Erdnüsse, 24 Müesliriegel, 30 Scheiben Bananenbrot, 2kg Schoggi, 7 Packungen Schokowaffeln, 4 Rollen Ingwergüetzi, 14 Packungen Tortilla-Wraps, 2.5kg Käse, 0.5kg Erdnussbutter, 4kg Spaghetti, 1.5kg Tomatensauce, 14 Dosen Thunfisch, 0.5kg Parmesan, genügend Suppen, Datteln und Hummus… Frisches beschränkte sich auf 7 Äpfel, 6 Zwiebeln, 4 Bananen und 8 Packungen getrocknete Erbsen😉. Zuhause legen wir die Einkäufe für ein Foto aus, um danach die Hälfte des Proviants in Vorratssäcke zu packen und Gary zu übergeben.  

Unser Essen hatte bereits seinen Zielort erreicht, als wir uns von Ann verabschiedeten und in den Sattel schwangen. Mit wunderbarem Rückenwind schafften wir es am ersten Tag fast bis ans Ende der Asphaltstrasse. Hier erwartete uns mit der Furt durch den krokodilhaltigen Pentacost Rivers eine erste Herausforderung. Wir hatten vor, am Fluss auf einen netten Autofahrer zu hoffen, welcher uns ans andere Ufer mitnimmt. Ungeschickterweise waren wir so früh unterwegs, dass die vielen Leute, welche am Fluss gecampt hatten, erst aufstanden. Mit ihren dampfenden Kaffeetassen in der Hand meinten sie, dass zu 99% keine Salzwasserkrokodile in der Nähe seien. Das Wasser sei aktuell nur 30cm tief und der Untergrund steinig, beides würden Salties nicht mögen. Aber zu Fuss durch den Fluss waten, wollte trotzdem niemand😉!
Mit unserer Unentschlossenheit, ob wir den untiefen Fluss nun durchqueren oder besser auf eine Mitfahrgelegenheit warten sollten, sorgten wir für beste Morgenunterhaltung. Irgendwie schien es lächerlich, nicht einfach durchs Wasser zu gehen. Andererseits mochten wir uns nicht auf die Einschätzungen von Autofahrern verlassen, welche die Krokodilsituation völlig unbedenklich fanden.

Wir entschieden uns, dem nächsten Auto unsere Vorderradtaschen mitzugeben, damit wir die leichteren Velos in einem Schwung durchs Wasser schieben konnten. Absolut problemlos aber trotzdem erleichtert, erreichten wir das andere Ufer und erst beim Blick zurück erkannten wir, dass viele Camper unsere Aktion mit Spannung verfolgt hatten. Nur zu gerne wären sie Zeugen einer richtig guten Croc-Geschichte geworden… Pushies vs. Salties😉.

Bereits nach wenigen Kilometern Schotterpiste gönnten wir uns in der Rinderfarm Home Valley Station einen Kaffee mit Muffin. Nachdem sich die Aufregung gelegt hatte, widmeten wir nun unsere Kraft und Aufmerksamkeit der vor uns liegenden Piste. Die Landschaft wandelte sich von schönem Savannenland mit Baobabbäumen und Tafelbergen zu unspektakulärem Buschland mit wenig Schatten. Erwartungsgemäss war die Wellblechstrasse für uns keine grosse Freude aber dank dem reduzierten Reifendruck mussten wir auch in den sandigen Passagen nicht schieben. Und es vergingen nur wenige Stunden, bis uns der erste Autofahrer mit einer Erfrischung überraschte. Er reichte uns je ein kühles Bier aus dem Fenster: «Drink it while it’s cold!». Damit hatte David auch zum Znüni gar kein Problem… und da ich Bier nicht mag, gab es das zweite zum Zmittag😊.

Einige Rinderfarmen entlang der Strecke boten Camping, Snacks, Getränke und Burger in wunderbar grüner Umgebung an. Gelegenheiten, die wir sehr dankbar nutzten! So auch am nächsten Nachmittag, als wir staubig und erschöpft die Ellenbrae Station erreichten, wo wir genüsslich die leckeren Scones mit Konfitüre verschlangen. Der Verlockung des hübsch angelegten Campingplatzes mit Duschen konnten wir hingegen problemlos widerstehen. Denn für uns war ein Highlight der Strecke, abends irgendwo das Zelt aufstellen, den Staub abzuwaschen, zu kochen, essen und beim Tee den Sternenhimmel zu bewundern.

Auch auf der Gibb River Road bescherte uns unser ungewöhnliches Fortbewegungsmittel sehr viele und sehr schöne Kontakte! Mit jedem Reisetag erlangten wir etwas mehr Berühmtheit und wurden oftmals schon mit Worten «ah, ihr seid die zwei Schweizer Velofahrer?» empfangen. Immer wieder wurden wir von Autofahrern mit irgendetwas Erfrischendem beschenkt oder durften unsere Wasserflaschen auffüllen. Besonders viel Freude machte uns der Reiseführer Mel, als er uns zum Zmittag mit Lunchboxen, gekochtem Gemüse und Apfelsaft versorgte. Und dies gleich zweimal an verschiedenen Tagen😊! Nanette und Bryan begegneten uns sogar dreimal und beglückten uns mit kühlen Getränken. Vielen, vielen Dank an alle!!! Etwas weniger angenehm waren die Staubwolken, in welche uns schnell fahrende Autos hüllten. Aber am Abend den gröbsten Dreck von den Kleidern zu schütteln und aus den Ohren zu putzen war Teil vom Erlebnis.

Etwas früher als geplant, trafen wir beim Mount Barnett Roadhouse ein und nahmen die vorausgeschickten Vorratssäcke in Empfang. Mit mehr als genug Essen und übervorsichtig grossen Wasserreserven von bis zu 22 Litern waren unsere Velos schwerer denn je. Glücklicherweise wurde die Strasse auf der zweiten Streckenhälfte merklich besser! Einzig auf dem Abstecher zum Wasserfall in die Bell Gorge war die Piste so miserabel, dass ich total frustriert und mit Tränen in den Augen am Mittagsplatz im Silent Grove Campingplatz ankam. Auf dem Campingplatz war es jedoch alles andere als still, denn ein riesiger Schwarm von weissen Kakadus machte Radau und brachte mich auf andere Gedanken. Diese in Gruppen lebenden Vögel scheinen Spass daran zu haben, sich gegenseitig zu ärgern, vom Ast zu schupsen, am Wassersprinkler zu baden oder ihre weissen Federn im Sand zu wälzen… Ein amüsantes Spektakel!

Am letzten Tag der Pistenfahrt besuchten wir die hübsche Windjana Schlucht, wo wir zum ersten Mal die kleinen Süsswasserkrokodile sowie den kunstvollen Bau eines Laubenvogels sahen. Um Weibchen anzulocken, fertigt das Männchen aufwändige Lauben-Bauwerke an. Zusätzlich dekoriert der in der Kimberly beheimatete Graulaubenvogel seinen Bau mit weissen Gegenständen (Kiesel, Plastik, etc.) und ordnet diese stundenlang sorgfältig an. Wirklich äusserst kunstvoll!
Übrigens: Nach der Paarung baut das Weibchen das richtige Nest in den Bäumen und zieht die Jungen selbst gross… selbstverständlich ohne Unterstützung des Männchens, denn dieses ist noch immer mit der Brautschau beschäftig🙄.

Die nächste Tagesetappe brachte uns auf guter Asphaltstrasse ins attraktionslose Dorf Derby. Obwohl es nichts zu sehen gab, machten der Supermarktbesuch und WiFi unseren sehr ausgedehnten Mittagsrast zu einem speziellen Ereignis😉. Eine besondere Freude waren auch die zwei Dosen Bier, welche David von einem Unbekannten erhielt… «Have a beer, mate. You deserve it».

Zweieinhalb Tage später rollten wir in Broome ein und durften früher als angekündigt bei der wunderbaren Warmshower Gastgeberin Martine einziehen. Hier geniessen wir die Gesellschaft, dürfen die Hitzetage aussitzen, Touristenprogramm absolvieren, uns den Annehmlichkeiten von Supermärkten, Cafés, einem Bett und einer Küche erfreuen sowie die nächsten Schritte planen.