Gerne wären wir noch ein paar Tage länger bei Martine in Broome geblieben aber die Hitze und Luftfeuchtigkeit wurden langsam ungemütlich. Es wurde Zeit, dass wir uns Richtung Süden in kühlere Regionen bewegten…

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Um die erholsame Pause in Broome waren wir trotzdem froh, denn ab dem Roadhouse auf der Dorfausfahrt gab es lange Streckenabschnitte mit nichts. Und nichts ist in Australien wirklich ernst zu nehmen: Bis zum nächsten Roadhouse in 297km Entfernung (das ist etwa die Distanz von Genf nach Winterthur!) gab es keinen Kiosk, keine Tankstelle, keinen Laden, kein Wasser oder Gewässer, nur Buschland in unterschiedlichster Ausführung. Für uns bedeutete dies, in Broome für eine Woche Essen einzukaufen und bei der letzten Gelegenheit im Roebuck Plains Roadhouse 17 Liter Wasser pro Person aufzutanken. Die unverschämt schweren Velos waren zwar träge und mühsam in Schwung zu bringen, dann aber kaum zu stoppen, wenn sie einmal rollten. Natürlich trugen das flache Gelände und der Wind, welcher uns vormittags zuverlässig unterstützte, zum guten Voranzukommen bei. Zugegeben, es gab abgesehen von zwei Roadhouses auch wenig Ablenkung😉.

Ruckzuck erreichten wir nach fünf Tagen das 600km entfernte Hedland mit einem der weltweit grössten Schüttguthafen. Von hier werden verschiedenste Erze aus der Region abtransportiert und in alle Welt verschifft. Wir fanden den Ort wenig erfreulich, denn trotz geltenden Alkoholrestriktionen waren die betrunkenen Aboriginals in der Öffentlichkeit ein bedrückendes Bild.
Nach einem Grosseinkauf verliessen wir den Ort umgehend und pedalierten dem Great Northern Highway folgend ins Landesinnere und damit ins Herz des riesigen Minengebiets. Ständig überholten und kreuzten uns Minen-Lastwagen mit vier Anhängern. Sofern wir den Lenker nicht fest in beiden Händen halten mussten, winkten wir den Fahrern freundlich zu und erhielten dafür viel Platz auf unserer Spur. Nur als ein extragrosser Sondertransport mit Muldenkippern angefahren kam, wurden alle, auch die viel kleineren Roadtrains, von der Strasse bugsiert.

Lange bevor wir das Auski Roadhouse und die Abzweigung zum Karijini Nationalpark erreichten, begann sich die Landschaft zu verändern und verwöhnte uns mit schönen Ausblicken auf rote Tafelberge mit grünen Spinifex-Büschen. Im Karijini Nationalpark verbrachten wir zwei Tage mit der Besichtigung von verschiedenen Schluchten mit wunderbar farbigem Gestein. Die vielen Bademöglichkeiten, welche David gerne für eine Abkühlung nutze, reizten mich nicht ausserordentlich. Ich bevorzugte in den Schluchten jeweils den schweizerischen Weg entlang der Felsen, während die Australier keine Gelegenheit ausliessen, durchs Wasser zu schwimmen oder waten😊.

Auf dem Weg nach Tom Price hatten wir noch im Sinn, auf den Mount Bruce zu wandern. Angesichts der fortgeschrittenen Morgenstunden und des grellen Tageslichts liessen wir es beim Spaziergang zum Aussichtspunkt auf die Marandoo Mine bewenden. Das Bergbaugebiet wurde nachträglich aus dem bestehenden Nationalpark ausgenommen, die Prioritäten sind in Westaustralien klar🫤. Lieber sparten wir die Wanderlust bis am nächsten Morgen, als wir zum Sonnenaufgang den Mount Nameless bei Tom Price erklommen und von dort auf die Lichter der Rio Tinto Mine blickten.

Das Dorf Tom Price, inklusive dem grossen Supermarkt, empfanden wir als aussergewöhnlich ordentlich und sauber. Dies liegt wohl daran, dass es fast ausschliesslich von gutverdienenden Minenangestellten bewohnt wird und Rio Tinto ihnen das Leben möglichst behaglich und sorglos machen will. Auch für uns wurde der Aufenthalt im Dorf angenehmer und länger als vorgesehen: Als wir auf unsere Handys starrend vor dem Supermarkt sassen, überreichte uns der Gewerkschaftsvertreter Shane seine Visitenkarte und offerierte uns, in seinem Büro-/Wohnhaus eine Dusche zu nehmen und Kleider zu waschen. Dieses Angebot war zu verlockend, als dass wir es hätten ausschlagen können😊. Wir überlegten nicht lange und rollten nach getätigtem Wocheneinkauf zu Shane und seinem Kollegen Alister. Bei den beiden war es so gemütlich und gesellig, dass wir die Wäsche gerne an der Leine trocknen liessen und währenddessen ein paar Bierchen, Wein, gutes Essen und spannende Gespräche genossen… so lange, bis wir im Gästezimmer herrlich einschliefen😊. Vielen Dank für diese herrliche, unerwartete Auszeit!

Nach der wohltuenden Pause mit inspirierendem Szenenwechsel pedalierten wir beschwingt zurück Richtung Küste. Ab Paraburdoo verschwand praktisch der gesamte Minenverkehr von der Strasse und es fuhren nur noch Camper und wir durch die Weiten der faszinierenden Halbwüste. Je mehr wir uns der Küste näherten, desto karger wurde die Landschaft und stärker der Wind. Dies bewog uns dazu, auf den 400km langen Umweg zur Besichtigung des Ningaloo Korallenriffs in Exmouth und Coral Bay zu verzichten. Stattdessen hatten wir vor, bei Carnarvon einen Schnorchelausflug zu machen.

Auf den langen Strecken mit über 200km grossen Abständen zwischen Roadhouses begegneten wir Alex. Schon seit Katherine berichteten Leute von dem jungen Mann, der Australien zu Fuss umrundet. Weil er täglich und fast ohne Pause 50km marschiert, benötigten wir zwei Monate, um ihn einzuholen😊. Alex schiebt sein Proviant in einer Schubkarre vor sich her und will mit dieser Aktion auf die psychische Gesundheit von Männern aufmerksam machen. Als wir Alex trafen, versuchte er gerade den Ziegenbock «Sid» zu tränken, welcher ihn seit dem Vortag begleitete. Was für ein charmantes und sympathisches Duo😊!

Nur wenige Tage später erreichten wir Carnarvon, die angebliche Bananenhauptstadt Australiens. Abgesehen von grünen Plantagen und einem leergekauften Supermarkt hatte dieser Ort jedoch nicht viel zu bieten. Schade, denn zumindest ein (geöffnetes) Geschäft mit Schnorchelausrüstung hätten wir benötigt, um hier einen Blick ins Meer zu wagen. Aber da Samstagnachmittag war und sonntags alles geschlossen hat, verliessen wir das Dorf nach einem Grosseinkauf wieder. Janu!

Der Highway verlief nun relativ nahe an der windigen Küste. Dies bekamen wir insbesondere am ersten Fahrtag zu spüren, als uns ein kräftiger Wind zuerst über die linke Schulter und später ins Gesicht bliess. Unsere geliebten Helmschatten mussten wir abmontieren, weil sie zu stark am Kopf zupften. Der Wind und seine Richtung wurden jedoch täglich angenehmer, sodass wir bald wieder wie gewohnt durchs eintönige aber doch irgendwie reizvolle Buschland brausten.

Der ausbleibende Gegenwind hatte nur einen Nachteil: die lästigen Fliegen im Gesicht. Auf dem Weg in den Kalbarri Nationalpark konnten wir weder durch den Mund noch die Nase atmen, ohne dabei Fliegen einzusaugen. Also hüllten wir uns sogar während der Fahrt in ein Kopfnetz. Immerhin halten sich die Viecher (im Gegensatz zu Mücken) an die Nachtruhe und verschwinden nach Einbruch der Dunkelheit😊.

Für die Besichtigung des Kalbarri Nationalparks sowie die Strecke nach Geraldton hatten wir zum Glück viel Zeit eingeplant. Denn sowohl die Schluchten als auch das blühende Buschland und die wilde Küste mit vorbeiziehenden Walen waren grossartig. Abgesehen davon, machten wir auch hier wieder viele tolle Bekanntschaften. Wie in der Woche zuvor mit Christine und Thierry, konnten wir uns mit Michele und Michael wiedermal auf Schweizerdeutsch unterhalten. Und das australische Rentnerpaar Tan und John stellte uns nach der zweiten Begegnung sogar zwei Dosen Pepsi mit einer Notiz zu den Velos😊.

Ab dem Dorf Kalbarri stürzten wir uns gegen starken Südwind Richtung Geraldton. Ganz besonders kräftig geblasen hat es in Port Gregory, wo wir uns die pinke Lagune anschauten. Von da aus ging es etwas windgeschützter ins Inland, wo die Landschaft schlagartig von Buschland in riesige Getreidefelder mit einigen Schafherden überging. Auch die Temperaturen wurden deutlich kühler, sodass wir abends und morgens gerne ein Jäckchen überzogen und nachts in den warmen Schlafsack schlüpften.
Nach 24 Fahrtagen erreichten wir die verschlafene Kleinstadt Geraldton und dürfen hier bei Sigrid und Philip aus Deutschland wohnen. Wir haben die beiden beim Rasten in einem Roadhouse kennengelernt und geniessen nun ihre Gesellschaft, den Austausch, das flauschige Frottetuch, leckeres Essen… Herzlichen Dank für eure wunderbare Gastfreundschaft!

@Stefan: Merci für den Titel😊!