Nach dem lohnenden Ausflug in den Cape Le Grand Nationalpark kehrten wir am Samstagvormittag nach Esperance zurück. Wir kamen gerade rechtzeitig, um uns mit sehr vielen anderen Kunden ins Getümmel des Supermarktes zu stürzen und Vorräte für die nächsten 14 Tage zu ergattern.

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Grosseinkäufe meistern wir inzwischen routiniert und weil wir immer das Gleiche essen, dauerte die Lebensmittelwahl nicht lange. Schwieriger war es, alle Waren aus dem gefüllten Einkaufswagen in unserem Gepäck zu verstauen. Luft aus den Chipspackungen ablassen und zerquetschen, Crackers abfüllen… so fand alles einen Platz. Als zum Schluss noch einige Liter Wasser für die erste Übernachtung dazukamen, waren die Taschen zum Bersten gefüllt.

Begleitet von unangenehmen Getreidelastern der einsetzenden Ernte, pedalierten wir durch kleine Weiler mit riesigen Lagerhallen dem Minendorf Norseman entgegen. Hier gönnten wir uns einen sehr ausgedehnten Mittagsrast mit allerhand Frischem aus dem Dorfladen, einer (kalten) Gratisdusche in der öffentlichen WC-Anlage und natürlich einem Kaffee an der Tankstelle. Der Ort bot nicht viel, aber immerhin mehr als alles, was wir in den kommenden Wochen erwarteten. In östlicher Richtung liegen zwischen Norseman und dem nächsten Dorf Ceduna 1200km Buschland. Obwohl sich nur in der Mitte eine tatsächlich baumlose Ebene befindet, wird die ganze Strecke als Nullarbor bezeichnet. Für viele Australier ist die Durchquerung der Nullarbor ein ikonischer Roadtrip, welcher einmal im Leben gemacht werden «muss». Die Strecke führt durch unwirtliche Landschaften, endlose Weiten und grosse Distanzen, was etwas zwischen Aufregung, Abenteuer, Langeweile und Monotonie verspricht.

Seit wir uns in Katherine für die Route über Westaustralien entschieden hatten, gaben uns Leute immer wieder Tipps zum Wind auf der Nullarbor und warnten uns vor allem Möglichen. Die einen sagten uns Gegenwind voraus, andere Rückenwind. Klar war uns, dass wir die Strecke noch vor dem Sommer (ab Dezember) in Angriff nehmen wollten, um die grösste Hitze zu vermeiden. Nun waren wir im angepeilten Zeitraum unterwegs und zuversichtlich, auch diesen Abschnitt zu meistern. Immerhin gab es im Maximalabstand von 200km ein Roadhouse, wo wir Wasser auffüllen und etwas Erfrischendes kaufen konnten. Aus Kostengründen und weil wir keine Lust auf eine zweiwöchige Hamburger-und-Pommes-Diät hatten, verpflegten wir uns vom Mitgebrachten und kochten selber.

Die letzten Warnungen eines älteren Herrn, dass es dort draussen Kamele, Kängurus, Emus und Schlangen gäbe, dass wir uns vor den Lastwagen in Acht nehmen müssten und dass am Freitag über 40°C angesagt waren, nahmen wir mit einem unbesorgten Lächeln entgegen. Okay, wir werden sehen… fühlten uns gut vorbereitet und waren bereit, endlich loszufahren.

Zu Beginn lagen die Roadhouses so weit auseinander, dass wir je 12 Liter Wasser auftanken mussten. Die Velos waren entsprechend schwer, rollten aber ganz ordentlich, sobald sie mal in Schwung waren. Abgesehen vom rauen Strassenbelag, konstantem Gegenwind und den sehr lästigen Bremsen, welche uns die Siestas zunichtemachten, war die Fahrt während den ersten Tagen angenehm und wir kamen gut voran. Kurz nach dem Balladonia Roadhouse bogen wir auf die «90 Miles Straight» ein, eine 145km lange Gerade, deren Bewältigung anderthalb Tage dauerte. Nach der ersten Biegung amüsierten wir uns über das Kuriosum der Zentral-West-Australischen Standardzeit. In dieser kleinsten Zeitzone der Welt leben 67 Menschen und bei ihnen war es bereits 45 Minuten später. Die Zeitumstellung hatte auf unsere Routine keinen Einfluss. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang spulten wir etwa 120km ab und sassen meist über sieben Stunden im Sattel. Obwohl einige Roadhouses nicht besonders erfreulich waren und nur sehr wenige, sehr teure Getränke zur Auswahl hatten, definierten sie unsere Pausen und waren die einzigen Orte, um Wasser aufzufüllen… Nur als wir unser Nachtlager am Morgen des angekündigten Hitzetages bei heftigem, warmem Seitenwind verliessen, fragten wir Camper auf dem nahen Rastplatz, ob sie unsere Flaschen auffüllen könnten. Als Reaktion bekamen wir nicht nur Wasser, sondern wurden spontan zum Kaffee im windgeschützten Wohnwagen eingeladen. Wir unterhielten uns prächtig, während draussen der Wind drehte und nach der Znünipause aus dem Rücken wehte. Er bliess heisse Luft aus dem Landesinneren und mit ihr die Hitzewelle über uns hinweg. Vormittags um 10:00 Uhr war es bereits 38°C warm und wir sahen der Mittagshitze mit Besorgnis entgegen. Um 12:00 Uhr war der Spuk allerdings vorbei und die Temperaturen betrugen nur noch 24°C. Krass!

Beim Border Village verliessen wir nach fast vier Monaten den Bundesstaat Westaustralien und der Übertritt nach Südaustralien fühlte sich tatsächlich wie eine Grenze an. Weil Westaustralien die Einfuhr von Obst, Gemüse, Honig und Samen streng kontrolliert, wurden die entgegenkommenden Fahrzeuge an der Quarantänestation inspiziert. Auf südaustralischer Seite befand sich die Quarantänestation erst im 480km entfernten Ceduna. Für uns war diese Regelung sehr vorteilhaft, konnten wir doch in den nächsten Tagen guten Gewissens Camper anfragen, ob sie zu viel Obst oder Gemüse mitführten, welches sie uns abgeben könnten. Unsere Strategie brachte überraschend wenig Erfolg. Essen aus fremden Kühlschränken zu übernehmen, scheint sehr aussergewöhnlich zu sein. Eine Dame sagte uns, sie hätte alles aufgebraucht, erinnerte sich dann aber an einige überschüssige Äpfel. Als sie aus dem Wohnwagen kam, hielt sie einen riesigen Sack mit Äpfeln, Mandarinen, Zitrone, Peperoni und Tomate in der Hand. Damit war unser Frischebedarf für ein paar Tage gedeckt😊.

In Südaustralien wurde die Strasse schmaler, hatte aber einen glatteren Belag. Dank relativ wenig Verkehr, konnten wir uns nach wie vor mit der Vorfahrt abwechseln und gegenseitig vom Windschatten profitieren. Dies war auf dem Abschnitt bis zum Nullarbor Roadhouse auch nötig, denn es bliess einmal mehr kräftig von vorne. Zudem bot die baumlose Ebene keinerlei Schutz, was ermüdend aber auch sehr eindrücklich war! Was für eine wunderbare Überraschung und willkommene Ablenkung, als plötzlich das beste Roadhouse exklusiv für uns öffnete und einen warmen Kaffee servierte! Es waren Kate und Graham, unsere Gastgeber aus dem Cape Le Grand Nationalpark. Sie hatten uns mit dem Wohnwagen überholt und auf dem nächsten Parkplatz für uns gestoppt.

Wir waren froh, als das Nullarbor Roadhouse nach weiteren anstrengenden Stunden auf dem Velo endlich am Horizont erschien. Schon lange hatten wir uns auf erfrischende Getränke und Windschutz gefreut! Für den Sturm auf den Kühlschrank mussten wir uns allerdings noch etwas gedulden. Denn vor dem Gebäude sass ein anderer Velofahrer, dem wir ein paar Wochen zuvor begegnet waren. Es war ein alleinreisender älterer Herr mit braungebrannter Lederhaut und zu gross gewordenem Velotrikot in ausgebleichten Farben. Sein Bedarf an Gesellschaft und Konversation war riesig. Nicht seinetwegen, aber weil das Roadhouse sehr sympathisch war und den einzigen Windschatten weit und breit bot, entschieden wir uns für einen frühen Feierabend, einen offiziellen Zeltplatz und eine warme Dusche.

Das Ende der langen Strecke bis Ceduna mussten wir uns mit einem neuerlichen Hitzewelle (toller Rückenwind!) und ein paar Hügeln verdienen. Zu unserer Überraschung trafen wir in Penong nicht ein einzelnes Roadhouse an, sondern ein kleines, gepflegtes Örtchen mit General Store, Hotel und Australiens grösster Windrädersammlung. Obwohl die letzte warme Dusche erst zwei Tage zurücklag, nutzten wir die Gelegenheit einer Gratisdusche an der Tankstelle. Und weil wir es schon fast durch die Nullarbor geschafft hatten, dünkte uns etwas zum Anstossen aus der Hotelbar angebracht. Der Kellner schien diese Meinung zu teilen und schenkte uns kurzerhand die zwei Dosen (Ingwer)Bier😊.

Die letzten Kilometer bis Ceduna rollten sich am nächsten Morgen locker und beschwingt. Die Erleichterung und Dankbarkeit, dass wir die Strecke unfallfrei absolvieren konnten, war gross. Während den vergangenen 12 Tagen hatten wir einige Überstunden geleistet und uns überhaupt nicht mit der Route über Ceduna hinaus auseinandergesetzt. Zufällig landeten wir in der hilfreichen Touristeninformation und verbrachten einen halben Tag damit, ansprechende Prospekte der Eyre Halbinsel zu studieren. Wir lokalisierten auf unserer Karte, woher die super Fotos stammten. Damit war unser Plan gemacht: wir wollten die Eyre Halbinsel nicht verpassen und der Küste entlang bis Port Lincoln fahren.

Nachdem wir dem Supermarkt und der Wäscherei einen Besuch abgestattet hatten, machten wir uns gemütlich auf den Weg in Richtung Süden. Ein erster unerwarteter Höhepunkt war der General Store im Austerndörfchen Smoky Bay. Uns gefallen diese originellen Läden mit vielfältigem Sortiment und charmantem Personal. Dass wir abends südlich von Streaky Bay ganz allein bei weissen Sanddünen übernachten konnten, war eine weitere Grossartigkeit. Am nächsten Tag beobachteten wir am Point Labatt die Seelöwen und bestaunten einmal mehr die wilde Küste. Auch das Dorf Venus Bay und der Spaziergang ans Kap waren definitiv den Abstecher wert. Weiter südlich kämpften wir zwischen Elliston und Coffin Bay mit frustrierendem Gegenwind, welcher über die ausgetrockneten, leeren Weiden fegte. Doch beim Austerkosten in Coffin Bay waren die Mühen schnell vergessen.

Uns so richtig ausruhen und Überstunden abbauen, können wir nun im hübschen Port Lincoln. Hier dürfen wir uns bei den wunderbaren Warmshower Gastgebern Karen & Graham im heimeligen Wohnwagen einrichten.