Vom Wintersportort Thredbo, wo bekanntlich Sommerbetrieb herrschte, erwarteten wir eine tolle Abfahrt nach Jindabyne und von dort eine Genussroute über das Kiandra Hochplateau in Richtung Canberra.

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Leider war es nicht so einfach wie vorgesehen, bereits die erste Abfahrt war mit heftigen Gegensteigungen gespickt. Jeden Tag legten wir viele Höhenmeter zurück obschon es weder Pässe noch längere Aufstiege gab. Manchmal waren wir so frustriert vom mühsamen Hügelfahren, dass wir die schöne Landschaft im Kosciuszko Nationalpark gar nicht richtig geniessen konnten. Eine Ausnahme war die Clarke Schlucht mit ihren Granitfelsen, die über das glasklare Wasser ragten. Zum Glück hatten wir unser Gepäck auf dem Campingplatz deponiert und fuhren mit leichten Velos auf der Schotterstrasse in die Schlucht hinunter. Denn auch hier gab es Steigungen von 17%.

Abends und nachts waren Gewitter die Regel, was einerseits sehr stimmungsvoll war, uns aber auch hie und da zum blitzschnellen Zeltaufbau und Kochen im Eingangsbereich zwang. Dank unseres dichten und stabilen Zeltes blieben wir weitgehend trocken und erwachten jeweils ausgeruht bei Sonnenschein. Die Nässe machte uns nur auf der direkten aber etwas unwegsamen Strecke nach Canberra zu schaffen. Anstelle der Route auf dem Highway über Cooma, hatten wir uns für einen Umweg über den nördlichen Teil des Kosciuszko Nationalparks entschieden. Hier war die Waldstrasse teils sehr rutschig, es gab viele Pfützen und der lehmige Dreck klebte an unseren Reifen. Obwohl ich wusste, dass die Waldstrecke absehbar war und die Route sehr direkt zu einer besseren Fahrstrasse führte, war meine Laune am Tiefpunkt. Daran änderten auch zwei Tourenfahrer nicht viel, die plötzlich aus dem Nichts auftauchten. Sie waren überhaupt die einzigen Menschen, die uns auf den 55 Kilometern durch den Wald begegneten. Gegen Abend erreichten wir endlich die unbefestigte aber tadellose Strasse, die uns am nächsten Tag über weitere Hügel nach Canberra führte.

Auf der Einfahrt in die australische Hauptstadt hielten wir beim ersten Supermarkt und suchten nach einem trockenen Unterschlupf für die Nacht. Es waren wieder heftige Gewitter angesagt, dunkle Wolken türmten sich bereits am Himmel. Wir hatten uns schon an den Gedanken eines Campingplatzes am anderen Ende der Stadt gewöhnt, als David plötzlich erfreut meinte: «Du kannst eine grosse Toblerone kaufen gehen». Was bedeutete, dass wir einen Schlafplatz gefunden hatten. Und was für einen… Peter & Alison akzeptierten sehr spontan unsere kurzfristige Anfrage auf Warmshowers und empfingen uns herzlich, obwohl wir das Rennen gegen die Gewitterfront verloren hatten und tropfend nass bei ihnen ankamen. Bei einem wunderbaren Znacht bekamen wir viele Tipps zu Canberra und seiner Umgebung und wurden sofort in den lebhaften Familienalltag integriert. Dazu gehörte auch der Besuch bei Alisons Eltern am nächsten Abend. Ihre fast 90-jährige Mutter ist die Chefredakteurin der Quartierzeitung und machte sich geduldig Notizen zu unseren ausführlichen Reiseberichten damit sie in der nächsten Ausgabe über uns schreiben kann.

Tagsüber nutzten wir die Zeit, um das Parlamentsgebäude, das Kunstmuseum, das Nationalmuseum und das verstörend glorifizierende Kriegsdenkmal zu besichtigen. Wir waren sehr froh, dass wir uns mit dem Velo von einem Ort zum anderen bewegen konnten. Canberra ist sehr weitläufig und gleicht eher einem grossen Park als einer Stadt. Uns gefielen das viele Grün, die tollen Velowege und Autofahrer, die – einzigartig in Australien – am Fussgängerstreifen für uns anhielten.

Nach drei Nächten im bequemen Bett war es Zeit, wieder aufzubrechen. Auf der ersten Etappe bis Goulburn entschieden wir uns fürs zügige Vorankommen auf der breiten Schulter der lärmigen aber ziemlich flachen Autobahn. Die kurze Schonfrist konnten wir gut gebrauchen, denn schon bald ging es auf Nebenstrassen wieder pausenlos auf und ab den Blue Mountains entgegen. Als wir bei Lithgow erneut die Autobahn erreichten, waren wir zuerst sehr erfreut über den guten, breiten Seitenstreifen und die moderaten Steigungen. Doch auf einigen Steilstücken und den vielen Baustellenabschnitten wurde es wieder unangenehm eng. Gut, dass Blackheath, unser erstes Ziel in den Blue Mountains, nicht mehr weit war.

Die Landschaft mit steil abfallenden Tafelbergen und Wasserfällen war atemberaubend! Auch die Wanderung in den Grand Canyon war sehr eindrücklich. Beim Start im trockenen Eukalyptuswald auf dem Plateau konnten wir uns kaum vorstellen, dass wir in eine Schlucht mit feuchten Farnwäldern und rauschenden Bächen hinabsteigen würden. Nach den sehr lohnenden Aussichtspunkten um Blackheath hatte Katoomba mit seinen berühmten und viel besuchten Sehenswürdigkeiten einen schweren Stand. Zum einen nervten uns die vielen steilen Hügel auf der Panoramastrasse, die überhaupt keine Ausblicke bot. Zum andern fanden wir die Aussichtsplattformen auf die Felsformation der Drei Schwestern überbewertet. Vielleicht waren wir von Katoomba, dem touristischen Zentrum der Blue Mountains, auch deshalb enttäuscht, weil wir zur Mittagszeit im schwülheissen Wetter und mit vielen anderen Touristen unterwegs waren. Wieso auch immer, wir hatten schnell genug vom Trubel und verliessen die Blue Mountains ohne Wehmut in Richtung Sydney.

Abgesehen vom tollen Veloweg «The Oaks» auf einer 30km langen Waldstrasse, gab es auf dem Weg nach Sydney oft keine Alternative zum Seitenstreifen des Highways. Dieser war je nach Platzangebot und Baustellensituation zwischen tadellos und katastrophal. Gleiches galt für die kleineren Strassen, auf welchen wir uns durch die Vorstädte schlängelten. Je näher wir der Innenstadt kamen, desto öfter fanden wir hervorragende, praktisch leere Velowege vor.

Ziemlich müde, aber sehr zufrieden erreichten wir im quirligen Newtown den östlichsten Punkt unserer Reise. Hier durften wir uns bei meinem ehemaligen Bürokollegen Michael und seiner Frau Bonnie in ihrem schönen Stadthaus einquartieren, duschen, Wäsche waschen und uns frischgemacht an den gedeckten Tisch setzen. Was für ein Luxus! Wir genossen die gemeinsamen Mahlzeiten, Ausflüge und geselligen Stunden so sehr, dass wir unsere Gastgeber fast um den Schlaf brachten…

Die Tage mit Michael und Bonnie vergingen wie im Flug und waren eine wunderbare Abwechslung zum Reisealltag. Stadtbesichtigung, Schlendern durchs Quartier, Ausflug zum Barrenjoey Leuchtturm mit toller Aussicht, zu Fuss über die Hafenbrücke, Museumsbesuche, Anstossen in einer Mikrobrauerei, authentisches chinesisches Dim Sum Frühstück, … alles hatte Platz in unserem kurzen Aufenthalt in Sydney. Nach einem weiteren himmlischen Zmorge mit warmen Brötchen, Käse und Fruchtsalat geht die Reise für uns heute weiter…

Dieser Beitrag wurde am 28. Januar 2025 geschrieben und am 9. Februar 2025 publiziert.