Etwas wehmütig verabschiedeten wir uns von Bonnie & Michael und ihrem schönen Zuhause im lebhaften Newtown. Dann fuhren wir auf mehr oder weniger durchgehenden Velowegen in Richtung Flughafen … und daran vorbei😊.

Aktiviere Karte Deaktiviere Karte

Wir haben nicht etwa die Abzweigung verpasst, sondern vor ein paar Monaten in Westaustralien unsere Pläne auf den Kopf gestellt: Wieso bleiben wir nicht einfach in Australien statt uns mit Niederschlagsmengen und Temperaturen in Neuseeland auseinanderzusetzten und uns über die Preispolitik von Fluggesellschaften zu ärgern? Schliesslich haben wir ein Jahresvisum und Australien hat noch mehr zu bieten…

Der direkte Weg durch die Wälder des Royal Nationalparks, der Ausblick vom Bald Hill und die Fahrt über das Viadukt bei Coalcliff gefielen uns sehr gut. Darauf folgten einige Tage ohne besonderen Reiz. Im Gegenteil: Der graue Himmel war bedrückend, die Temperaturen langweilig konstant, der Verkehr war ziemlich aggressiv, die Hügel steil und zahlreich. Vor allem fanden wir aber die anonymen, charakter- und seelenlosen Siedlungen einen Graus! Viel zu grosse Häuser ohne Leben, kein Mensch, nur geschlossene Garagentore, Autos und sterile Grünflächen. Wie einsam und verloren müssen die Leute hinter diesen Mauern sein?! Wir sahen unsere Eindrücke bestätigt, als uns eine ältere, alleinstehende Dame morgens um 8 Uhr anbot, ein paar Tage bei ihr auszuruhen. Obwohl Irene uns leidtat, lehnten wir ihre Einladung ab und radelten fast ohne Umwege und Abstecher weiter. Sonnenschein und das schöne Schwimmbecken bei Bermagui heiterten uns so fest auf, dass die gute Laune bis Merimbula anhielt, wo wir wieder ins Landesinnere abbogen. Endlich!

Mit jedem Kilometer, den wir auf der ruhigen Landstrasse den Berg hinauf kurbelten, hob sich unsere Stimmung. Weil zwei Tage später auch die Temperaturen in die Höhe schnellten, mussten wir die Pläne spontan anpassen. Wir waren auf unserer Pistenroute durch den Snowy River Nationalpark noch nicht weit gekommen, als wir den Znünihalt an der McKillops Bridge als Tagesziel definierten. Um 10:30 Uhr war es bereits schwüle 33°C heiss und vor uns lag ein langer Aufstieg an der prallen Sonne. Im Tagesverlauf kletterte die Temperatur auf 41°C und wir waren froh, um die Abkühlung im Snowy River… sogar ich nahm ein Bad im Fluss😊.

Um die kühlen Stunden zu nutzen, starteten wir am nächsten Morgen um 5 Uhr in der Dunkelheit. Doch mit der Hitze war es schon vorbei: Bei 16°C und Nebel kochten wir uns zum Znüni schlotternd einen warmen Kaffee und frohlockten, als sich am Nachmittag doch noch die Sonne zeigte. Auf einer sehr guten Piste genossen wir die Fahrt durch die Wälder des Alpine Nationalparks und übernachteten gratis auf den hübsch angelegten, gepflegten Campingplätzen des Nationalparks. Abends wurden wir sogar von wilden Pferden, den Brumbies, besucht. Weniger willkommen war der nächtliche Besuch eines Possums in meiner Vordertasche. Von uns unbemerkt, hatte es sich über die lose eingerollten Ecken Zugang zum Apfelbeutel verschafft. Mit unglaublicher Geschicklichkeit zerrte es den Beutel aus der Tasche und verspeiste in Ruhe seine Beute. Abgesehen von einem kleinen Loch im Obstbeutel (und natürlich den Äpfeln) richtete es keinen Schaden an!

Ich musste nicht lange auf meine geliebten Früchte verzichten, denn wir trafen bereits zum Zmittag in Omeo ein, wo wir uns wieder mit Frischem eindecken konnten. In Omeo gab es nicht nur einen Supermarkt, sondern auch eine kostenlose Dusche für uns und die Velos. So konnten wir den Aufstieg nach Dinner Plain und Hotham Heights frisch in Angriff nehmen.

Die beiden Wintersportorte waren völlig verlassen, fast alle Restaurants und Cafés geschlossen. Skigebiete in Australien? Ja, in den hiesigen Alpen fallen zwischen Juni und August bis zu 2 Meter Schnee!

Skifahren in Australien

Es gibt 5 grössere Skigebiete mit einer Pistenlänge von insgesamt 234km und total 111 Liften. Das Gelände sah ziemlich flach und langweilig aus, aber darum geht es hier nicht😉.

Drei dieser Skigebiete gehören der amerikanischen Investorengruppe Vail Resorts. Deren Skitageskarten kosten zwischen 140 und 150CHF, 450% mehr als noch 1990. Dazu kommt, dass jedes Fahrzeug zwischen 15 und 45CHF bezahlen muss, um überhaupt ins Gebiet fahren zu dürfen. Wer in Australien Skifahren will, muss tief in die Tasche greifen oder nach Neuseeland oder Japan fliegen.

Eigentlich müsste uns dies nicht stören, wir können ja in der Schweiz Ski fahren. Was wir aber bedenklich finden: Andermatt und Grand Montana wurden von der gleichen Investorengruppe übernommen. Und auch für Laax sind Übernahmegespräche im Gang.

Warum verkaufen wir unsere Erholungsgebiete an börsenkotierte Unternehmen, deren Aktionäre sich um den maximalen Gewinn und nicht um lokale Interessen oder unser Wohlbefinden kümmern?

Zurück zum Sommerprogramm: Kurz nach Hotham Heights bogen wir auf eine schöne Piste ab, welche uns am nächsten Tag direkt ins 4×4 Eldorado Dargo führte. Leider schlug unterwegs das Wetter um und wir fuhren durch stockdicken Nebel, der später in Nieselregen überging. Oh, wie haben wir uns gefreut, als wir am Abend einen Rastplatz mit überdachtem Picknicktisch fanden, den einzigen weit und breit! Aber es kam noch besser: Auf der Weiterfahrt bis Stratford regnete es waagrecht, die Mittagspause im Unterstand des Dorfparks fanden wir hochverdient. Als wir uns abends zum Übernachten unter eine Brücke verziehen wollten, kam ein älterer Herr auf uns zu. Es war Ian und der fragte uns, ob wir bei ihm auf dem Hof eine warme Dusche nehmen und übernachten möchten? Dieses Angebot nahmen wir ohne zu zögern sehr gerne an! Ians Frau Rosie klang am Telefon wenig begeistert über den unerwarteten Besuch. Aber als wir eine halbe Stunde später an ihre Tür klopften, wurden wir sehr herzlich empfangen und wir genossen den geselligen Abend. Merci viel, viel Mal! Weil es am nächsten Morgen noch immer in Strömen regnete, hatten wir viel Zeit für lustige und spannende Gespräche. Es ist einfach grossartig, wie vielen unterschiedlichsten Menschen und ihrer Geschichten wir auf unserer Reise begegnen!

Kaum hatten wir Stratford in Richtung Süden verlassen, wurde das Wetter trockener und freundlicher. Ab dem Dorf Yarram folgten wir dem Great Southern Rail Trail, einem tollen Veloweg auf einem ehemaligen Eisenbahntrassee. Obwohl der Weg nicht asphaltiert ist, kamen wir auf der flachen, geraden Strecke super voran. Ein bisschen hügeliger wurde es auf dem Abstecher in den Wilsons Promontory Nationalpark. Eigentlich waren wir wegen der intakten Natur auf die Landzunge gefahren und waren etwas enttäuscht, als wir einen riesigen Campingplatz mit sardinenartiger Belegung vorfanden. Der Besuch des Parks lohnte sich aber trotzdem, denn nach acht Monaten in Australien haben wir erstmals lebendige Wombats gesehen! Jöö, diese herzigen, grasenden Teddybären hätten wir noch lange beobachten können. Aber leider sind sie nachtaktiv und es wurde dunkel.

Nach einem Morgenspaziergang zu den nahegelegenen Buchten mit schönen Stränden kehrten wir bei Fish Creek auf den Veloweg zurück, der in Noyra ohne fotogenes Schild abrupt endete. Okay, das war’s.
Weiter ging es auf der normalen Strasse bis Corinella. Dorthin führte uns die originelle (aber teure) Routenwahl über French Island. Ein uralter, rostiger Kahn mit Platz für zwei Autos und unsere beiden Velos brachte uns auf die flache Insel, auf welcher es keine befestigten Strassen, keine Polizei, rostige Autos, unspektakuläres Weideland, viele Koalabären und einen General Store gibt. In letzterem verbrachten wir den ganzen Nachmittag und warteten mehrere Regenschauer ab bevor wir uns auf den sandigen Weg zum leeren Zeltplatz machten.

Am nächsten Morgen fuhren wir mit einem vertrauenswürdigeren Boot nach Stony Point südlich von Melbourne. Von hier waren es nur noch 50km bis Berwick, wo uns Litsa und Geoff erwarteten. Wir hatten die beiden in Südaustralien mehrmals getroffen und ihre Kontaktdaten mit einer herzlichen Einladung erhalten. Ihre vier erwachsenen Kinder haben das grosse Elternhaus verlassen, weshalb Litsa und Geoff nun die leeren Räume mit Gästen beleben. Und wir gehörten zu den Glücklichen, die sich bei ihnen einquartieren, ausruhen und an den gedeckten Tisch setzen durften. Herzlichen Dank, Litsa & Geoff! Wir schätzten die anregenden Gespräche beim gemeinsamen Essen sehr und genossen es, viel Zeit für den Veloputz, eine Stadtbesichtigung und zum Nichtstun zu haben😊.

Zwei kurze Tagesetappen führten uns über die Mornington Halbinsel nach Sorrento, von dort mit dem Schiff nach Queenscliff und über den Veloweg bis Geelong. Hier nehmen wir die Fähre nach Tasmanien, welche uns bis heute Abend an unser nächstes Reiseziel bringen soll.