Was wir in drei Wochen von Tasmanien sehen können, überlegten wir uns erst konkret, als wir im beschaulichen Devonport angekommen waren. Auf der ruhigen 12-stündigen Fährüberfahrt hätten wir genügend Zeit zum Planen gehabt, aber irgendwie mussten wir den Boden von «Under Down Under» betreten, bevor uns der Entdeckergeist packte.

So verbrachten wir den ersten Tag auf Tasmanien in der Lobby des Novotels (dort gab es WiFi und Strom) oder am Picknickplatz der Bluff Beach (dort gab es warme Gratisduschen!). Wir breiteten die Karte aus und liessen uns vom Wanderführer inspirieren, den uns Heinz in Südaustralien geschenkt hatte. Schnell wurde uns bewusst, dass wir mehr Ideen als Zeit hatten und uns auf eine machbare Route durchs Zentrum und den Osten der Insel beschränken mussten… zumal im Westen grosse Gebiete wegen Waldbränden gesperrt waren. Am Abend stand die Grobplanung und wir waren bereit zum Aufbruch.

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Weil die Wetteraussichten vielversprechend waren, nahmen wir uns die Hauptattraktion der Insel gleich zu Beginn unserer Rundfahrt vor. Ein abschnittweise steiler Anstieg brachte uns in den Cradle Mountain Nationalpark. Der Andrang auf die Hauptsehenswürdigkeit des Parks, eben den Cradle Mountain, ist so gross, dass auf den letzten 15km der schmalen Stichstrasse nur die kostenpflichtigen Shuttlebusse verkehren dürfen. Die Anfahrt im eigenen Fahrzeug ist lediglich morgens von 6 bis 8 Uhr gestattet, unserer Meinung nach sowieso die beste Zeit für den Start einer Wanderung. Also pedalierten wir im Dunkeln ans Ende der Stichstrasse, schlossen beim Besucherzentrum unsere Velos ab und genossen die prächtige Morgenstimmung am Dove Lake und auf dem Wanderweg noch ganz allein. Der Schlussanstieg zum Gipfel des Cradle Mountain entpuppte sich als unerwartet anspruchsvolle Kraxelei. So richtig wohl fühlten wir uns erst wieder, als wir die Felsbrocken im Abstieg überwunden hatten und über die Menschenmassen staunten, welche sich nun auf den Weg zum Gipfel machten.

Als wir nach einem erfüllten Wandertag die Rückfahrt antreten wollten, kündigte sich schon beim Start Ungemach an. Eine Busfahrerin warnte uns vor der schmalen Strasse und wies uns darauf hin, dass Velos auf der Strecke verboten seien. Wir bedankten uns für die Info und fuhren vorsichtig am linken Strassenrand los. Bisher hatten wir Australien als sehr locker im Umgang mit Regeln erlebt. Hier war es erstmals anders: Jeder entgegenkommende Busfahrer gab uns mit einer langen Strafpredigt unmissverständlich zu verstehen, dass wir nicht auf diese Strasse gehörten, unten sei ein riesiges Veloverbot angebracht! Wir sollten aus Sicherheitsgründen unmittelbar einem Bus folgen, was wir gerne getan hätten, wenn wir mit dem Tempo hätten mithalten können. Als uns ein Auto mit zwei Rangern entgegenkam, erwarteten wir nicht nur eine saftige Busse, sondern auch, dass wir unsere Velos auf den Pickup laden und mit ihnen aus dem Park fahren mussten. Beides passierte nicht, wir bekamen nur die Anweisung, dass Velofahren nicht gestattet sei und wir die Velos schieben müssten. Obwohl wir dies ziemlich lächerlich fanden und wir dadurch weder sicherer noch schneller waren, begannen wir unsere Velos umgehend zu schieben. Plötzlich hielt eine Busfahrerin an, öffnete die Tür ihres Fahrzeugs und bat uns, einzusteigen. Unter den Augen und dem Applaus ihrer Passagiere hievten wir die Velos in den Bus, was uns schon ziemlich peinlich war.

Bei der ersten regulären Haltstelle stiegen wir aus und suchten das Veloverbot, welches wir am Morgen übersehen hatten. Doch wieder hätten wir das Verbot beinahe verpasst. Wir fanden es schliesslich als kleines Symbol auf einer unbeleuchteten Tafel… Ein netter Ranger, bei welchem wir uns über den Wetterbericht erkundigten, meinte später dazu: «Habt ihr einen Busszettel bekommen? Nein. Ah, dann ist ja gut! Legt das Erlebnis im Kapitel der unangenehmen Erfahrungen ab und vergesst es gleich wieder.»
Gut, damit hatten wir überhaupt kein Problem und unser Bild von den entspannten Aussies war wieder hergestellt 😊.

Am kommenden Morgen ging unsere Reise zum nächsten Wanderziel, den Walls of Jerusalem weiter. Unter anderem wegen den diebischen Possums, welche fast jede Nacht unsere Taschen inspizierten, wollten wir unsere Velos nicht zu lange im Busch stehen lassen. Wir beschränkten uns deshalb auf einen lohnenden Tagesmarsch zu den markanten Felswänden und Seen des Walls of Jerusalem Nationalparks.

Über Deloraine und dem Great Lake auf dem kargen Central Plateau erreichten wir den südlichen Teil Tasmaniens. Ein kleiner Abstecher brachte uns in den Mount Field Nationalpark mit den viel besuchten Russell Falls und dem weniger begangenen Pfad auf den Gipfel des Mount Field West, den wir uns vorgenommen hatten. Allein schon die Passfahrt auf einer schön angelegten Waldstrasse zum Ausgangspunkt der Wanderung war ein Vergnügen. Auch das Wandern machte uns so lange Spass bis es ein riesiges Blockfeld zu durchqueren galt und wir kaum noch vorwärtskamen. Die vielen fotogenen Wasserlöcher auf dem Hochplateau entschädigten allerdings für die Mühen. Auf den Felsblöcken unmittelbar unterhalb des Gipfels war nochmals unser Gleichgewicht gefragt, welches ich verlor und mein Schienbein heftig aufschlug. Dank Davids vorzüglicher Verarztung konnte ich den Rückweg mit einem Unterschenkelverband zum Glück ohne Probleme bewältigen. Als wir später im Tal die Schürfwunde gründlich auswuschen und mit der Pinzette allfälligen Dreck entfernten, kommentierte eine Passantin treffend: «Sanierungsarbeiten?!»😊.

Nun war es nicht mehr weit bis Hobart, der Hauptstadt Tasmaniens. Hier durften wir uns bei den Warmshower Gastgebern John und Sue einquartieren und von ihrem schönen Haus aus das Städtchen erkunden. Nach den schockierenden Einfamilienhauswüsten in den Vororten vieler Grossstädte Australiens war das hübsch angelegte Hobart eine Wohltat. Ohne besondere Sehenswürdigkeiten war der Rundgang allerdings schnell beendet und wir befanden uns bald auf der Weiterfahrt zur Tasman Halbinsel.

Trotz vielen Hügeln und einer langen Anfahrt war die Wanderung zu den imposanten Basaltsäulen des Cape Raoul ein Höhepunkt unserer Tasmanienreise. Wow, welch grossartige Ausblicke wir hier in perfekter Abendstimmung erleben durften! Derart prächtig konnte das Wetter kaum bleiben. Und dies tat es auch nicht. Im Freycinet Nationalpark nutzten wir einen trockenen aber bewölkten Vormittag für einen kurzen Ausflug zum Aussichtspunkt auf die Wineglass Bay bevor wir auf der Ausfahrt kräftig verregnet wurden. Eine Brücke bot nicht nur uns, sondern auch einem merkwürdigen Camperbus Unterschlupf für die Nacht. Vom Fahrer des komplett abgedunkelten Autos kam ein knappes «hallo», dann schloss sich der Türspalt wieder, kein Lebenszeichen, bis der Wagen um 1 Uhr nachts davonbrauste. Hmmm, seltsam! Wir schliefen nicht allzu gut und waren froh, dass uns am Morgen drei herzige (ausgesetzte?) Kätzchen auf andere Gedanken brachten. Katzen wurden nach Australien eingeführt und verursachen hier riesige Probleme, da sie sehr erfolgreich Jagd auf einheimische Tiere machen.
Trotzdem konnten wir die kleinen Tigerlein unter der Brücke nicht ihrem Schicksal überlassen und berichteten im nächsten Dorf von ihnen. Zu unserer grossen Freude wollte die Postbeamtin sie nach ihrer Arbeit einfangen und ins Katzenheim nach Hobart bringen😅.

Nachdem wir bei wolkenverhangenem Himmel auch die Apsley Gorge besichtigt hatten, entschieden wir uns sehr spontan, nicht durchs Landesinnere, sondern entlang der Küste zur Bay of Fires bei St Helens zu fahren. Den weissen Traumstränden im Osten folgend und später durch malerisches Weideland kurvend erreichten wir in wenigen Tagen die Stadt Launceston mit ihrer hübschen Cateract Schlucht. Viel Zeit zum Verweilen blieb uns aber nicht, denn die Fährüberfahrt von Devonport zurück aufs Festland rückte näher.

Den letzten Abend in Tasmanien verbrachten wir mit Kathy und Adam bei leckerem Essen in einem vietnamesischen Restaurant. Wir hatten die beiden vor einem halben Jahr in der Kimberley getroffen und freuten uns sehr, dass sie sich die Zeit für ein Wiedersehen nahmen. Der gesellige Abend ging so schnell vorbei, dass wir es verpassten, ein Erinnerungsfoto zu machen. Danke für den tollen Abschluss unseres Tassie-Aufenthaltes, Kathy & Adam!
Nun sitzen wir auf der Fähre, die uns wieder sicher und ruhig zurück aufs australische Festland bringt…