Vor dem Gegenwind zwischen Yulara und der Abzweigung in Richtung Kings Canyon hatten wir uns unnötigerweise gefürchtet. Er war weniger stark und wir waren stärker als gedacht😉.

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Besonders stolz waren wir, dass wir in Curtin Springs der einzigen Einkehrmöglichkeit auf 270 Kilometern widerstanden. Hatten wir uns doch beim letzten Besuch so sehr über die Bedienung im Roadhouse geärgert, dass wir ihr keinen Cent mehr gönnten. Dafür belohnte uns eine srilankanisch-stämmige Familie mit unverschämt süssem aber leckerem selbstgebackenen Kuchen.

Den ersten Kaffee, den wir uns nicht mit unserem vorgemischten Instantkonzentrat «brauten», gab es am dritten Fahrtag in der hübschen Kings Creek Station. Hier konnten wir auch die Bewilligung für die bevorstehende Fahrt auf der Mereenie Schotterpiste einholen. Dass wir uns überhaupt um eine Genehmigung bemühten, fanden wir ziemlich nobel von uns 😜… denn man muss sich selber über die Bewilligungspflicht schlau machen, welche von niemandem kontrolliert wird. Es kümmert auch niemanden, dass man auf der 150 Kilometer langen Strecke nicht zelten darf und wir als Velofahrer die Piste unmöglich an einem Tag abfahren können. Wirklich praktisch für uns, dass Regeln in Australien flexibel gehandhabt werden😊.

Bis zum Start der Schotterstrasse dauerte es jedoch noch einen ganzen Tag. Diesen verbrachten wir mit einer kleinen Wanderung rund um den Kings Canyon, dessen Felsen in der späten Nachmittagssonne wunderschön rot leuchteten. Als wir zum Parkplatz zurückkamen, standen dort einige Camper, welche die Nacht hier verbringen wollten. Weil wir nicht die einzigen waren, hatten wir ein weniger schlechtes Gewissen, als wir nach Einbruch der Dunkelheit unser Zelt hinter dem WC-Haus aufschlugen. Allerdings schliefen wir im illegalen Nachtlager so schlecht, dass wir den Morgen kaum erwarten konnten und alles zusammengepackt hatten, als die ersten Besucher schon vor Sonnenaufgang eintrafen. Glück gehabt, mit diesen Frühaufstehern hätten wir nicht gerechnet. Nach einer halbstündigen Fahrt kamen wir im privaten Kings Canyon Park Resort an und wärmten unsere Hände an einem heissen Kaffee. Das Frühstücksbuffet mit frischen Früchten und duftendem Toastbrot überliessen wir schwersten Herzens den besserzahlenden Gästen des Resorts.

Nun begann die Holperei auf der sandigen Mereenie Strasse. Obwohl wir aus Berichten anderer Velofahrer wussten, dass uns mühsame Tage bevorstanden, war die Strecke ein Riesenfrust. Zum einen machte das Fahren auf Sand und Wellblech in eintöniger Umgebung keinen Spass. Zum anderen nervte uns die Rücksichtslosigkeit, mit der noble 4×4 Touristen und übermotorisierte Wohnwagenfahrer an uns vorbeirasten und uns einstaubten. Wahrscheinlich kommentierten sie in ihren staub- und fliegenfreien, klimatisierten Fahrzeugen, dass die Velofahrer da draussen etwas verrückt seien. Aber bloss nicht abbremsen, dann spürt man die Wellblechpiste besser oder gar das Fenster öffnen, dann riskiert man, sein makelloses Outback-Tenue zu verschmutzen. Bemerkenswerte Ausnahmen waren Nils und seine Freundin Renée sowie einige Handwerker oder Aborigines, die alle langsam an uns vorbeituckerten und uns fröhlich zuwinkten.

Als hätten wir uns nicht schon genug geärgert, machten uns die Velos immer mehr Probleme. Zuerst brach die Aufhängung einer meiner Vorderradtaschen, die wir mit Kabelbindern am Gepäckträger befestigten. Dann versagte meine Schaltung, 75 Kilometer bevor wir die Teerstrasse erreicht hätten und 250 Kilometer vor dem nächsten Velogeschäft in Alice Springs! Wars das mit Velofahren? Müssen wir auf eine Mitfahrgelegenheit in einem Fahrzeug hoffen?

Nach genauerer Analyse fanden wir heraus, dass nur der Kettenspanner defekt war. Mit Kabelbindern und Gummibändern aus dem japanischen 100-Yen-Laden Daiso improvisierte David geschickt eine Reparatur, die bis an die Asphaltstrasse halten sollte. Dies tat sie erfreulicherweise auch: Mit drei funktionierenden Gängen und einigen Schiebepassagen meinerseits schafften wir es am Abend auf die befestigte Strasse. Dort waren wir gerade dabei, unsere Velos vom gröbsten Staub zu befreien, als uns ein herziges Hausschwein besuchte. Ganz kurz freuten wir uns über den tierischen Gast, realisierten aber schnell, dass die Sau es nur auf unser Essen abgesehen hatte. Sie steuerte schnurstracks auf unsere Taschen zu, welche wir vehement verteidigen mussten. Für den Beutel mit unseren Chipsvorräten kam jedoch jede Rettung zu spät. Flink hatte die freche Sau ihre Nase reingesteckt und rannte mit ihrer Beute davon. Hoffentlich machten ihr die Plastikverpackungen, die sie restlos mitverspeiste, ordentlich Bauchweh😉! Der Apéro hatte ihr offenbar so gut geschmeckt, dass sie in der Hoffnung auf mehr Fressbares zu uns zurückkehrte und sich nur mithilfe des Kabelschlosses auf Distanz halten liess.

Da mein defektes Schaltwerk noch immer seinen Dienst verrichtete, beschlossen wir, unsere geplante Route entlang der West MacDonnell Range fortzusetzten. Die nächste kurze Tagesetappe führte uns zur Redbank Gorge, einer malerischen Schlucht mit Bademöglichkeit und Ausganspunkt für die Besteigung des Mount Sonders am Ende des Larapinta Weitwanderwegs. Weil die letzten Kilometer über eine ruppige, hügelige Schotterstrasse geführt hatten, waren wir bei der Ankunft am Parkplatz ziemlich K.O. und gönnten uns eine lange Mittagspause. Je länger wir im Schatten des Picknickhäuschens sassen, desto mehr Leute sprachen uns an und beschenkten uns mit Wasser, Kaffee, Pepsi, Brot und sogar frischen Rüebli, Äpfeln und gekochten Eiern. Wow, damit war unser Wohlbefinden für die nächsten Tage gerettet und wir motiviert, die Möglichkeiten der Redbank Gorge maximal auszunutzen. So spazierten wir am späten Nachmittag zum Wasserloch, wo David ein erfrischendes Bad nahm (ich kneifte). Und uns gefiel die Idee einer Gruppe von Larapinta Wanderern, die zum Sonnenaufgang den Mount Sonder erklimmen wollten.

Morgens um 3:30 Uhr brachen wir das Zelt ab und machten uns im Schein der Taschenlampe auf den Weg zum Mount Sonder. Zitternd vor Kälte warteten wir auf dem Gipfel den Sonnenaufgang ab und waren froh, dass wir uns zum frühen Start durchgerungen hatten. Denn die Aussicht war phänomenal und wir staunten, wie schön sich die Landschaft ins warme Morgenlicht hüllte.

Auf der Weiterfahrt durch die West MacDonnell Ranges besuchten wir fast jede Schlucht und zelteten dazwischen ausserhalb des Nationalparks. Die vielen Sehenswürdigkeiten waren eine ideale Ablenkung von der welligen Strasse und dem ständigen Gegenwind. David ärgerte sich über die unzähligen Senken und Gegenanstiege, während ich mich völlig auf meine defekte Schaltung konzentrierte und versuchte, mit den drei (noch) zuverlässig funktionierenden Gängen zurechtzukommen. Ab der Simpson Gap führte uns ein befestigter, kurviger Veloweg bis ins Zentrum von Alice Springs.

Seit zehn Tagen hatten wir erstmals wieder die Möglichkeit, unser Zmittag mit frischen Cherry-Tomaten, Joghurt und einem kühlen Getränk aufzubessern. Mmmh, darauf hatten wir uns schon eine Weile gefreut! Als wir unsere Velos vor dem geschäftigen Supermarkt mitten in Alice Springs abstellten, ermahnte uns der Sicherheitsmann, dass eine Person bei den Rädern bleiben und aufpassen müsse. Dies war ohnehin unser Plan und wir fanden die Warnung etwas übertrieben. Als ich nach dem Einkauf zu David und den Velos zurückkam, hatten wir den Ernst der Mahnung verstanden: Während meiner kurzen Abwesenheit wurde David Zeuge davon, wie einer Dame die Handtasche gestohlen wurde und der Sicherheitsmann darauf nur meinte: «you can call 000» … die Nummer der Polizei. Es war also angebracht, wirklich gut auf unsere Sachen aufzupassen. Trotzdem haben wir die Annehmlichkeiten der Zivilisation in Alice Springs für eineinhalb Tage sehr genossen!

Schon lange hatten wir geplant, unsere Veloreise durch Australien in Alice Springs zu beenden. Doch zuvor wollten noch einen Abstecher zur Hauptattraktion der East MacDonnell Ranges, der Trephina Schlucht unternehmen. Eine knappe Tagesetappe von Alice Springs entfernt, waren wir auf dem schönen Campingplatz und den tollen Wanderwegen fast die einzigen Besucher. Nur eine Unmenge lästiger Fliegen begleitete uns! Glücklich, dass unsere Velos auch diese Strecke überstanden hatten, kehrten wir drei Tage später nach Alice Springs zurück. Hier durften wir uns im kleinen Apartment von Warmshower Gastgeberin Kate einquartieren, unsere Velos sicher verstauen, duschen, waschen, putzen, Kaffee trinken, am Blog arbeiten, ausruhen, mit Kate einen Abend bei den Claypans verbringen und viele spannende Gespräche führen, herzlichen Dank für alles! Alice Springs ist keine Grossstadt, sondern ein übersichtliches Dorf mit einem kompakten Zentrum. Uns gefielen das multikulturelle Flair, die vielen Cafés und Wandmalereien sowie die Lage von Alice zwischen den umliegenden Gebirgszügen sehr! Der negative erste Eindruck war schnell vergessen.

Von Alice aus geht es erst einmal mit dem Bus weiter. Wir sitzen in den vordersten Reihen des Greyhound Busses und warten auf dessen Abfahrt, unsere Velos sind sicher im Gepäckabteil verstaut…