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Pannen
Zelt
ohne Dusche
>50% Sonne
Schokolade
Alaska vom Feinsten
Von Palmer aus folgten wir dem Parks Highway nach Norden. Die ersten beiden Tagesetappen waren (noch) nicht besonders reizvoll und führten an Einkaufszentren, Industriegebieten, und privaten Grundstücken ohne Ende vorbei.
Ab Willow konnten wir immer öfter zwischen den Bäumen hindurch einen Blick auf den wolkenlosen Mount Denali erhaschen. Ja, wir gehörten zum glücklichen Drittel der Besucher, die den Berg auf ihrer Alaskareise tatsächlich sehen und dies sogar mehrere Tage lang😊. Das Panorama vom Denali State Park aus und über den Broad Pass war einmal mehr einfach nur grandios!

Alles Denali?
Denali: Mit 6190m der höchste Berg Nordamerikas.
Denali State Park: Ein Schutzgebiet etwa 100km südlich des Gipfels.
Denali Nationalpark: Nationalpark mit dem Berg als Mittel- und Höhepunkt.
Denali Park Road: Strasse im Nationalpark
Denali Highway: Eine Schotterstrasse 50km südlich des Denali Nationalsparks.
Bei über 30°C warmem Prachtswetter kam es überhaupt nicht infrage, den Denali Nationalpark auszulassen, um einige Zusatzkilometer einzusparen. Aus zahlreichen Berichten war uns bekannt, dass die Schotterstrasse im Nationalpark nur bis Meile 43 mit offiziellen Bussen oder dem Velo befahrbar war. Seit 2021 verhindert ein Erdrutsch die Weiterfahrt bis ans Ende der 92 Meilen (d.h. 148 Kilometer) langen Denali Park Road. Die Bauarbeiten für eine Brücke sind zwar in vollem Gange, werden aber frühestens im kommenden Sommer abgeschlossen sein. Bis dahin ist es nur für Fussgänger und Velofahrer möglich und erlaubt, den Erdrutsch durch ein Flussbett zu umgehen und die Strasse dahinter ohne motorisierten Verkehr zu benutzen. Diese Möglichkeit klang zwar sehr verlockend, wir gingen aber fest davon aus, dass der Wasserstand der Flüsse im Frühling noch zu hoch sein würde und es für uns kein Durchkommen gäbe.

Als wir uns im Informationszentrum dennoch nach dieser Option erkundigten, klang es in den Schilderungen der Rangerin, als wäre alles überhaupt kein Problem. Hmmm, wir waren ziemlich übernächtigt, weil wir die letzte «Nacht» in der prallen Sonne campiert hatten, was ganz und gar nicht erholsam gewesen war. Und eigentlich hatten wir damit gerechnet, dass uns vom Hike-a-Bike durchs Flussbett abgeraten würde. Aber wann hat man schon die Möglichkeit den Nationalpark Alaskas bei herrlichem Sommerwetter so exklusiv zu erleben? Wahrscheinlich nie mehr, denn sobald die Brücke fertig ist, werden die Besucher wieder bis ans Ende der Strasse strömen.
Wir mussten erst einmal einen Kaffee trinken, um richtig wach zu werden und klare Gedanken zu fassen. Danach war die Entscheidung sonnenklar: diese Gelegenheit lassen wir uns nicht entgehen! Im Backcountry Office des Nationalparks absolvierten wir die obligatorische Sicherheitsinstruktion inklusive eines informativen Films über das richtige Verhalten gegenüber Wildtieren, Flussquerungen, Zeltplatzsuche, Zahnpasta ausspucken etc. Dann mussten wir angeben, in welchen Zonen des Parks wir zu übernachten gedenken und schon hielten wir die kostenlose Bewilligung zum legalen Wildzelten im Nationalpark in der Hand. Was für ein grossartiger Service des motivierten Rangerteams!
Bevor wir loslegen konnten, mussten wir uns noch um unseren Proviant kümmern. Nachdem wir den Tante-Emma-Laden im Parkdorf auskundschaftet hatten, mussten wir einsehen, dass ein Ausflug ins 17 Kilometer entfernte Nachbardorf Healy unvermeidlich war. Die Auswahl im dortigen Supermarkt war leider weder ansprechend noch frisch oder günstig. Aber irgendetwas müssen wir ja essen! Beim Einkaufen im ländlichen Alaska ist das Frusterlebnis fast garantiert: Lebensmittel sind nicht nur unverschämt teuer, sondern auch von unglaublich schlechter Qualität. Backwaren, Brot, Tomatensaucen, Milchprodukte, Getränke, etc. enthalten ein Vielfaches des Zuckers unserer europäischen Produkte. In der fixfertigen Käsepasta ist gar kein Käse drin, nur Aromen, Farbstoffe, Maissirup und Palmöl. Der sogenannte «Parmesan» wird mit Zellulose gestreckt und kostet trotzdem 5 Dollar pro 100g. Dies sind nur einige Beispiele. Hauptsache, alles hat einen klingenden Markennamen, ist mit mehr oder weniger Sinnvollem angereichert und enthält pro Portion eine gerade Kalorienzahl, auch wenn die Portionengrössen dann lächerlich klein sind. Schade, dass man in den USA (oder hoffentlich nur in Alaska?) zum Gesundheitsfanatiker werden und die Zusammensetzung der Lebensmittel studieren muss, wenn man sich einigermassen zufriedenstellend ernähren möchte. Übrigens ging es nicht nur uns so: auch viele andere Touristen stolperten konsterniert durch den Laden und drehten ratlos Runden um die Regale.

Frustriert, aber mit vollen Taschen, kehrten wir ins Informationszentrum des Denali Nationalpark zurück. Dort verstauten wir unser nicht benötigtes Material und zusätzliche Nahrungsvorräte in einem Schliessfach, um auf unserer kleinen Expedition möglichst leicht unterwegs zu sein. Am nächsten Morgen pedalierten wir auf der Denali Park Road tiefer in die Bergwelt hinein. Nach den ersten asphaltierten Kilometern wurde die Strasse zu einer makellosen Schotterpiste, auf welcher nur Velofahrer und die äusserst rücksichtsvoll fahrenden Nationalparkbusse zugelassen waren.

Während die Busse vor dem Erdrutsch bei Meile 43 umkehren mussten, ging es für uns weiter. Wir schoben unsere Velos anstrengende acht Kilometer lang durch ein weites Bachbett und durchquerten einige Male untiefe Flussarme. David navigierte uns perfekt entlang der Idealline, sodass wir zwar K.O. aber glücklich hinter dem Erdrutsch wieder die Strasse erreichten. Voilà, da waren wir nun, abgeschnitten von der Zivilisation, aber mit bester Infrastruktur mitten in der Wildnis! Velospuren, Wanderschuhprofile sowie Tatzenabdrücke und Scheisse von Bären zeugten davon, dass wir nicht alleine waren😊. Weil dieser Teil der Schotterstrasse seit vier Jahren kaum von schweren Fahrzeugen benutzt wurde, war der Belag etwas lockerer und die Fahrt anstrengender als auf dem ersten Teil der Strecke. Dass wir nicht schnell vorankamen, spielte aber überhaupt keine Rolle, denn zum Staunen und Fotografieren mussten wir sowieso immer wieder innehalten. Vom Blick auf den Mount Denali und seine umliegenden Gipfel konnten wir einfach nicht genug bekommen (…was ihr an der umfangreichen Bildergalerie erkennt😊).


Beim verlassenen Eielson Visitor Center legten wir eine sehr ausführliche Pause ein und beobachteten, wie sich die Sicht vom Rauch der Waldbrände in Kanada zusehends verschlechterte. Da auch unsere Oberschenkel brannten, die Vorräte in den Bärenkanistern schneller schwanden als uns lieb war und uns eine entgegenkommende Velofahrerin vor der Mückenplage am Ende der Strasse warnte, beschlossen wir, frühzeitig umzukehren. Schliesslich brauchten wir auch noch Kraft für die zweitägige Rückfahrt. Doch diese fühlte sich, abgesehen vom höheren Wasserstand im Fluss, weniger anstrengend an als auf dem Hinweg.
Zurück in der Zivilisation, freuten wir uns über kühle Getränke und nahmen es am nächsten Tag gemütlich. Unser Ziel war es, 45 Kilometer zur Abzweigung auf den Denali Highway zurückzufahren, an der Tankstelle Popcorn zu essen und die Haare im Lavabo zu waschen😊.

Mit guten Wind- und Wetterverhältnissen sowie einer Schotterpiste, die eher einer Asphaltstrasse glich, war auch die Route über den Denali Highway ein Genuss mit grossartigen Ausblicken in alle Richtungen. Nur Wildtiere sahen wir fast keine. Das Gebiet scheint eine Jagdhochburg zu sein, wo alles, was Fell und vier Beine hat, abgeschossen wird. Nur Stachelschweine interessierten offenbar keinen Jäger. Sie eignen sich weder als Trophäe noch zum Füllen der Gefriertruhe, Glück für sie!


Im nicht mehr existierenden Ort Paxson erreichen wir den Richardson Highway und fuhren darauf mit viel Rückenwind durch die Alaska-Gebirgskette bis Delta Junction. Ständige Begleiterin war die Alaska Pipeline, eine 1287 km lange Stahlröhre auf Stelzen. Die Pipeline ist wegen der Wärmeausdehnung sowie der Erdbebengefahr nur gleitend gelagert und transportiert seit 1977 Rohöl vom Polarmeer nach Valdez. Wie das Bauwerk den extremen Umweltbedingungen standhält, ist durchaus faszinierend. Zu unserer Freude begleitete uns auch das konstant trockene und warme Sommerwetter. Leider forderte dieses nun seinen Tribut und sorgte in Alaska sowie im kanadischen Yukon für viele Waldbrände. Auf der Weiterfahrt nach Tok war die Landschaft und damit auch wir oft in dicken Rauch gehüllt.

Eigentlich wollten wir in Tok eine ersehnte Pause einlegen, um mit neuer Energie über den Top of the World Highway nach Dawson City zu gelangen. Beide Pläne lösten sich allerdings im Rauch auf und wir entschieden uns, direkt über den Alcan Highway nach Kanada weiterzufahren. Zahlreiche Baustellen mit obligatem Veloverlad auf die Pilotfahrzeuge kürzten unsere Tagesetappen ab. Janu, es gibt Schlimmeres😉.

Kaum hatten wir die Grenze nach Kanada überschritten, sahen wir deutlich mehr Wildtiere und weniger Leute mit Waffen. Ob da wohl ein Zusammenhang besteht😉?
Gerade als uns ein netter, entgegenkommender Motorradfahrer ein Video eines kürzlich beobachteten Schwarzbären zeigte, trottete ganz in der Nähe unser erster Grizzly über die Strasse. Es gibt sie also doch! Dass wir auf dem Weg zwischen Koch- und Schlafplatz einem weiteren Grizzly begegneten, raubte mir dann zugegebenermassen den Schlaf. Trotzdem waren wir sowohl von den tierischen Begegnungen als auch von der unerwarteten landschaftlichen Schönheit des Yukons absolut begeistert!

Und wir freuten uns auf eine baldige Pause. Die feuerbedingte Routenänderung hatte nämlich den riesengrossen Vorteil, dass Haines Junction nun am Weg lag. Hier erwartete uns ein erfreulich guter Supermarkt und vor allem auch das Häuschen von Beat, einem Bekannten aus der Schweiz. Er war vor 35 Jahren durch glückliche Umstände an ein Stück Land bei Haines Junction gekommen, hatte darauf ein Häuschen gebaut und dieses all die Jahre in Schuss gehalten. Mit besten Anweisungen per E-Mail durften wir uns Zugang zu Beats gemütlichem Cabin mit Schweizer Flair verschaffen. Hier fühlen wir uns wie zu Hause und geniessen einige Ruhetage. Angesichts unserer formidablen Wohnsituation haben wir es mit der Weiterfahrt nicht eilig😊. Vielen herzlichen Dank, Beat!