Mit dem Grenzübertritt von Griechenland nach Albanien sind wir in eine neue Welt eingetaucht. Sowohl die Moscheen als auch die unzähligen kleinen, gepflegten Äcker veränderten das Landschaftsbild. Auf den Strassen bewegten sich Pferdewagen, die Familien-Kuh und unzählige Mercedes-Fahrzeuge jeden Alters und Zustandes. Übrigens: Offiziell ist Albanien das Land mit der höchsten Mercedes-Dichte! Unsere nicht repräsentative Verkehrszählung an einem Vormittag ergab, dass ca. 2/3 aller Autos Mercedes sind.

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Unser erster Abstecher nach Albanien führte in die lebendige Stadt Korçë. Durch den schönen Prespa-Nationalpark erreichten wir Nordmazedonien, wo wir am Ohrid-See den letzten Bericht verfassten. Weil uns das Landesinnere und die Berge besser gefallen als Küste und Meer, wollten wir via Mavrovo-Nationalpark über die grüne Grenze nach Kosovo tschaupe. Gemäss Internet-Recherche sei der Grenzübergang über einer Schotterstrasse möglich und saisonal geöffnet (was dies auch immer bedeutet). Der Weg führt über einen 1900m hohen Doppel-Pass, wobei die Grenze im Anstieg auf ca. 1400m liegt.
Als wir um 7:00 Uhr in der Früh beim letzten Polizeiposten in Nordmazedonien vorbeikamen, wollte der Polizist nicht einmal unsere Pässe sehen. Wir sollen ruhig weiterfahren, »no problem!». Vermutlich haben wir ihn beim Frühstück gestört und sein Kaffee wurde kalt 🙂

So schleppten wir unsere bepackten Velos den Feldweg zur Grenze empor. Den kosovarischen Grenzposten fanden wir als heruntergekommenen Schafstall vor und nur eine neue Kosovo-Fahne markierte die Landesgrenze. Unbekümmert fuhren wir weiter Richtung Pass. Schon fast oben angelangt, kam uns ein Land Rover mit vier kosovarischen Polizisten entgegen. Sie wollten wissen, was wir hier machen würden und woher wir kämen?! Die Grenze sei nur im Juli und August geöffnet. Wir müssten zurückkehren!

Unsere Gesichtsausdrücke liessen wohl unschwer erkennen, dass wir über eine Rückkehr auf 20 km Schotterstrasse gefolgt von einem 2-tägigen Umweg nur wenig begeistert waren… Ja, das sei ein Problem, «I have to talk to my commander». Weil sie hier keinen Empfang hätten, müssten sie zurück auf die andere Seite des Passes. Wir durften aber weiter pedalieren. Als uns auf dem Pass eine wunderbare Asphaltstrasse erwartete, wollten wir an eine Rückkehr gar nicht mehr denken. Wir waren schon auf der Abfahrt und hofften, dass die Polizisten uns vergessen hätten, als sie mit dem schöneren Geländewagen des Chefs auftauchten. Ein Polizist verkündete mit grossem Lachen: «You are lucky today!». Wir dürften passieren, sollten beim Grenzübertritt nach Albanien jedoch nicht erwähnen, dass wir aus Nordmazedonien gekommen seien. Froh und erleichtert genossen wir die Abfahrt in den einzigen Ort, den wir im Kosovo überhaupt durchquerten. Dort bestellten wir je zwei Cafés (ein Café = 0.5€) und gängelten in der Migros :-).

Einige Kilometer später waren wir bereits wieder zurück in Albanien. Via Kukës fuhren wir nach Fierzë, um von dort die Fähre über den Koman-Stausee zu nehmen. Diese Verbindung war von einigen Jahren noch ein Geheimtipp, zwischenzeitlich ist das «Pendler-Boot» (altes Boot mit aufgeschweisstem SETRA-Reisebus) morgens um 6:00 Uhr wohl die einzige Möglichkeit, die Schifffahrt noch in Ruhe zu geniessen.

Vor der feuchten Hitze in der Region Shkodër (28° um 7:00 Uhr) flüchteten wir zurück in die Berge Montenegros. Der sehr schöne Durmitor-Nationalpark sollte für einige Zeit der westlichste Punkt unserer Reise sein. David fand dank mapy.cz eine wunderschöne Abkürzung, die auf ca. 40km Schotterstrasse durch den «montenegrinischen Tibet» nach Žabljak führt. Tatsächlich war die Route wunderschön, führte uns aber insbesondere an die mentalen und physischen Grenzen des Wohlbefindens. Auch das gesamte Material wurde durch das heftige Gerüttel stark beansprucht. Auf der steinigen Strasse mussten wir unsere Velos oft schieben und kamen durchschnittlich mit knapp 7 km/h voran. Zwar hatten wir Nahrung für zwei Tage dabei, wollten mit Gewitterwolken im Nacken die einsame Karst-Landschaft aber schnellstmöglich verlassen. Kaum hatten wir die Asphaltstrasse erreicht, widmeten wir uns erleichtert unseren zerbrösmelten Güetzi, Crackers, den vertätschten Äpfeln, Haribos, etc.

Am nächsten Tag gönnten wir uns eine unbeschwerte Fahrt ohne Gepäck auf der Panoramic Road #2 durch den Durmitor-Nationalpark.

Auf dem Weg nach Serbien besuchten wir einen weiteren Nationalpark, den Biogradska Gora «Urwald». Dank Räucherstäbchen und Mückenspray von holländischen Campern konnten wir unseren Aufenthalt hier trotz Millionen von Mücken geniessen. Nach einem heftigen Gewittersturm in Rožaje fuhren wir gestern durch viele montenegrinische Tunnels (sie sind bekannt dafür, komplett unbeleuchtet zu sein…) nach Novi Pazar in Serbien. Hier wohnen wir in einer trockenen Unterkunft, lassen den Regen vorbeiziehen und schenken unseren Velos und dem Blog etwas Aufmerksamkeit.

Kulturelle Vielfalt in Südosteuropa

Auf unserer Reise durch Albanien, Nordmazedonien, Kosovo, Montenegro und Serbien fuhren wir durch Orte mit Menschen verschiedener Ethnien, Religionen und Nationalitäten. Folgende nicht abschliessende Aufzählung soll einen Eindruck vermitteln:

  • Albaner (Muslime und Katholiken) leben u.a. in Albanien, Nordmazedonien, Kosovo, Montenegro und Serbien
  • Goranen (muslimische Minderheit in Albanien)
  • Griechen (orthodoxe Minderheit in Albanien und Nordmazedonien)
  • Mazedonier aus Nordmazedonien
  • Montenegriner aus Montenegro
  • Serben leben u.a. im Kosovo, Montenegro und Serbien
  • Roma und Sinti

Diese kulturelle Vielfalt ist faszinierend und interessant, für uns aber auch schwierig zum Verstehen. Beim Recherchieren sind wir auf diese informativen Vorlesungsunterlagen der Uni Graz (Zentrum für Südosteuropastudien gestossen.