Die ersten Veränderungen offenbarten sich bereits beim Grenzübertritt. Der offiziell 24 Stunden geöffnete türkische Grenzposten war bei unserer Ankunft um 8 Uhr morgens zwar besetzt, vor 9 Uhr durfte aber niemand passieren. Erst um 9:30 Uhr konnten wir für die Passkontrolle am Schalter anstehen 🙂 Die scheinbar unkoordinierte Grossbaustelle am türkischen Grenzposten sowie die chaotisch gelotsten iranischen LKWs machten das Warten höchst amüsant. Dagegen war die Einreise nach Georgien nüchtern. Innerhalb weniger Minuten wurden wir von der Grenzwächterin unter strengem Blick und ohne Worte abgefertigt.

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In Georgien erwarteten uns schmalere Strassen mit unzähligen kurzen aber steilen Abfahrten und Gegensteigungen. Egal wie befahren die Strassen sind, überall stehen oder liegen Kühe seelenruhig auf dem Asphalt und sogar die Lastwagen müssen um sie herumkurven. Auffällig ist, dass etwa jedes zehnte Auto ohne Stossstange unterwegs oder sonst arg beschädigt ist. Ob dies an den Kühen, an halsbrecherischen Überholmanövern, an den vielen Schotterstrassen oder an der nicht sehr ernst genommenen 0.0‰ Alkoholtoleranz liegt, wissen wir nicht. Bereits im ersten Laden konnten wir das grosse (2.5-Liter Flaschen) Biersortiment nicht übersehen.

Sehr gefreut haben wir uns über das vielfältige Angebot an Lebensmitteln wie die Fladenbrote gefüllt mit z.B. Käse (Kachapuri in lokalen Variationen), würzigem Bohnenmus (Lobiani), Fleisch (Kubdari) oder Kartoffeln/Pilzen. Lecker sind auch die Churchkhela (an einer Schnur aufgereihte Nüsse umhüllt von einem Mantel aus eingedicktem Fruchtsaft), Limonade mit Birnenaroma und Pfirsichkompott. Das mit Zimt gewürzte süssliche Rosinenbrot (Nazuki) schmeckt ebensfalls hervorragend! Die Bäckereien sind meist in unscheinbaren Häuschen untergebracht und die Waren werden durch ein kleines Verkaufsfensterchen herausgegeben. Zum Glück können wir als Velofahrer die Bäckereien mit der Nase finden :-). Da sie ohnehin kein fixes Sortiment haben und fortlaufend gebacken wird, probieren wir jeweils, was frisch aus dem Ofen kommt.

Was wir in Georgien auch sofort sehen und fühlen konnten, ist die liberalere Gesellschaft. Hier ist es normal, dass Frauen kurze Haare und Hosen tragen. In der Türkei betrat ich die Damentoilette immer wieder unter Protest des WC-Wärters. Einmal flüchtete eine Mutter mit ihrem Sohn angsterfüllt aus der Damentoilette, als sie mich erblickte … dies passiert in Georgien nicht mehr. Dass wir die Menschen hier liberaler erleben, zeigt sich jedoch nicht an ihrem Gesichtsausdruck. Meistens blicken wir in ernste, mürrische Mienen. Wir haben uns deshalb das Ziel gesetzt, Kassiererinnen im Laden oder Verkäuferinnen an kleinen Ständen zum Lächeln zu bringen (indem wir sie freundlich anlächeln). Unsere Erfolgsquote liegt bei etwa 50 % 🙂

Diese geschilderten Eindrücke sammelten wir auf unserer bisherigen Reise durch das schöne Land im Kaukasus. Nach dem Grenzübertritt aus der Türkei, besuchten wir die eindrückliche ehemalige Höhlenstadt und Kloster Vardzia. In der Felsstadt lebten bis im 13. Jahrhundert etwa 50’000 Leute, bevor ein Erdbeben grosse Teile zerstörte. Von Vardzia fuhren wir über Schotter-Serpentinen das Hochland um Ninozminda, welches landschaftlich dem Osten der Türkei ähnlich ist. So erreichten wir Tbilisi zum ersten Mal durch den ländlichen Süden. Eine steile Abfahrt brachte uns direkt ins Zentrum, von wo aus wir letztmals berichteten.