Für unsere Fahrt durch den Osten der Türkei setzten wir uns erstmals mit den Reisehinweisen von EDA, Auswärtiges Amt (Deutschland) und Foreign travel advice (UK) auseinander. Da sich die Institutionen in ihren Empfehlungen nicht einig waren, hielten wir uns an die Reisehinweise des EDAs. Dieses empfiehlt den Südosten des Landes zu meiden, insbesondere das Grenzgebiet zu Syrien und zum Irak.

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Unser letztes grosses Ziel in der Türkei war die Ruinenstadt Ani, welche an der türkisch/armenischen Grenze liegt. Auf dem Weg nach Ani besuchten wir die Städte Tunceli, Erzurum und Kars. Dazwischen reisten wir durch schier endloses steppenartiges Landwirtschaftsgebiet auf einer Höhe von 1500-2500müM.

In den kleinen Hochlanddörfern türmten sich Heu- und Strohballen höher als die Häuser. Statt Holz wird Kuhmist gesammelt, getrocknet und zu Blöcken geschnitten. Diese Blöcke werden als Heizmaterial im langen und kalten Winter verwendet, wenn die Durchschnittstemperatur auf -10°C fällt! Kuh-, Schaf- und Gänseherden werden von Hirten über die weiten Felder getrieben und bewacht. Die vielen Getreidefelder werden meist maschinell geerntet, das Stroh mit dem Traktor, Pferde-Rechen oder von Hand aufgehäuft und zu Ballen gepresst.

Unterwegs trafen wir viele Mähdrescherfahrer, welche als 3er Team im Auftrag Getreide dreschen. Je nach Erntezeit ziehen sie mit ihren Geräten (TürkTraktör-Mähdrescher, Traktor und Auto/Pickup) rund 550km von Süden nach Norden. Zufälligerweise benutzten wir mehrmals die gleichen Schlafplätze wie solche Teams und tranken zusammen Tee.

Eines Abends durften wir neben einer Tankstelle auf dem Feld übernachten und stellten unser Zelt in sicherer Entfernung zu einem verlassenen Lager der Mähdreschfahrer auf. Wir waren schon eingeschlafen als es plötzlich in unmittelbarster Nähe brummte und taghell wurde… ein TürkTraktör hatte neben uns parkiert. Kaum hatten wir uns hingelegt, manövrierte schon der zweite Mähdrescher um unser Zelt herum. Wir schliefen fast wieder, als eine dritte Maschine auf unser Zelt zuhielt und uns erst bemerkte, als David wie wild winkte. Der Dreschbalken hatte uns nur um wenige Zentimeter verpasst…
Die auf den Schock folgende Einladung zu Tee und Znacht konnte David mit Engelszungen ablehnen 😉

vorher…
…nachher

Nach 600km Fahrt erreichten wir Ani, die Hauptstadt des armenischen Königreichs um das Jahr 1000. Mit seiner riesigen Kathedrale, unzähligen Kirchen und einer Einwohnerzahl von über 100’000 Personen war Ani eine wichtige Stadt der alten Seidenstrasse. Der Niedergang von Ani setzte mit der Eroberung durch die Seldschuken im 12. Jh. und durch den Mongoleneinfall im 13. Jh. ein – grosse Teile der Bevölkerung wurden getötet. Als im Jahr 1319 (und nochmals im Jahr 1605) Erdbeben die Stadt verwüsteten, hatten die nomadischen Mongolen kein Interesse am Wiederaufbau. Unter den Osmanen war Ani ein unbedeutendes Bauerndorf und die (noch) intakten Gebäude zerfielen. Uns faszinierte Ani nicht nur wegen der harmonischen Architektur, sondern auch wegen seiner Lage mitten in der kargen Steppe.

Eigentlich wollten wir die Stätte gemeinsam besichtigen. Gemäss zwei für die Zugangskontrolle zuständigen Polizisten durften wir die Velos aber nicht unbeaufsichtigt im (sehr grosszügigen) Gelände abstellen. Wegen einer Schar von bettelnden Kindern wollten wir die Velos nicht ausserhalb der Umzäunung abschliessen. Ich war vorerst bei den Velos zurückgeblieben, als einer der Polizisten plötzlich anbot, er könne eine Stunde auf unser Material aufpassen. Als ich zurückkam, waren unsere Velos vom Polizisten und den Kindern umstellt. Bis David zurück war, musste ich die Kinder in Schach halten, welche alles anfassten und ausprobierten, was irgendwie möglich war…

Von Ani bis zur Grenze nach Georgien war es nicht mehr weit. Wir verliessen die Türkei nach 46 Tagen, ca. 400 Gläsern Tee mit 1.2kg darin aufgelöstem Zucker und um viele schöne Begegnungen und Erfahrungen reicher. Die Herzlichkeit, Offenheit und Neugierde der Menschen sowie die gute (Strassen-) Infrastruktur machten die Türkei für uns zu einem sehr angenehmen Reiseland.

Inzwischen sind wir in der georgischen Hauptstadt Tiflis angekommen und gespannt darauf, was uns in den kommenden zwei Monaten im Kaukasus erwartet.