Wie so oft haben wir unsere Reiseroute ab Novi Pazar den Wetteraussichten angepasst. Weil es in den Bergen länger verhangen blieb und aus Westen das schöne Wetter kam, entschieden wir uns für eine Zusatzschlaufe über den Uvac Canyon.

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Zur bedeutendsten Sehenswürdigkeit der Region führt eine 6km lange Schotterstrasse, die nach den Regenfällen arg lädiert war. Wer sich bis ans Ende der Strasse traut, kommt bei einer «Alp» an und kann von dort zur Aussichtsplattform spazieren. Uns hat es so gut gefallen, dass wir beim Hirtenpaar die Mindestmenge an Käse (=1kg) einkauften und nach einer Campingmöglichkeit fragten. So durften wir exklusiv beim Canyon übernachten und dabei den vorzüglichen Feta geniessen 🙂

Die Region im ländlichen Süden Serbiens wird nur von wenigen ausländischen Touristen besucht. Deshalb freute sich die Bäckerin in einem kleinen Dorf derart über unseren Einkauf, dass wir Selfies schossen und von ihrer kleinen Tochter Äpfel geschenkt bekamen. Nach dem Umweg über den Uvac Canyon war das Wetter in den Bergen wieder besser, sodass wir die Fahrt durch den Kopaonik Nationalpark nach Niŝ sehr genossen.

Die letzte Nacht in Serbien verbrachten wir am Vlasinsko-See. Dort setzte sich ein Hochzeitspaar für ein Fotoshooting in Szene und fragte uns spontan, ob sie unsere Velos als Sujet benutzen dürften. Wir waren selbstverständlich von der Idee begeistert und liessen unsere Velos (endlich) vor romantischer Kulisse mit einem richtigen Hochzeitspaar posieren 😉

Apropos «romantische Kulisse»: die idyllischen Landschaftsbilder aus der Balkanregion sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass Abfall (eigentlich bereits seit Rom) ein allgegenwärtiges Problem darstellt. Der Müll liegt in Strassengräben, Schluchten, Nationalparks, (il)legalen Deponien, in Seen und Flüssen. Wir sind uns bewusst, dass wir mit unserer Reise und dem immensen Futterverbrauch die Abfallberge zusätzlich vergrössern. Zwar wehren wir uns mit Händen und Füssen gegen unnötige Plastiksäckli und entsorgen unseren Abfall immer in Containern (rezyklieren können wir schon längst nicht mehr). Damit beruhigen wir aber höchstens unser Gewissen, denn oft fehlen die Infrastruktur und das Bewusstsein für die fachgerechte Entsorgung des Mülls… Helvetas beleuchtet das Problem und mögliche Lösungsansätze in diesem Bericht von einer spannenden Seite. Interessierte finden im Internet unzählige Artikel und Bilder zum Thema.

Im letzten Dorf in Serbien vergänggeleten wir traditionsgemäss die übrige Landeswährung (Albanien, Nordmazedonien, Serbien und Bulgarien haben jeweils ihre eigene Währung) und setzten dann die Reise nach Bulgarien fort. Durchs Kirschenparadies um Kyustendil erreichen wir Borovets am Nordrand des Rila-Gebirges. Von dort aus unternahmen wir unsere 3-tägige Wanderung, über welche wir zuletzt berichtet haben.

Nach dem Trekking zogen wir mit kräftigem Rückenwind nach Plovdiv weiter. In Plovdiv hatten wir abgesehen von der Stadtbesichtigung zwei Missionen: Ersatzteile (11er und 13er Ritzel) für unsere Velos und einen Coiffeur finden. Für die Ersatzteile klapperten wir gefühlt alle Velohändler der Stadt ab und blieben dennoch erfolglos. Aufgrund des allgemeinen Ersatzteilmangels bestellten wir verschiedene Teile für zukünftige Services zu meinen Eltern. Je nach Komponente beträgt die Lieferzeit bis zu sechs Monate, sodass wir uns gezwungen sehen, ein eigenes Materiallager anzulegen.
Auch die Suche nach einem Coiffeur gestaltete sich überraschend schwierig. Entweder fanden wir Schönheitssalons oder volle Terminkalender vor. Auf Empfehlung besuchten wir einen kleinen Salon in einem Innenhof, wo wir gleichzeitig frisiert wurden. Mit Bildern der letzten Schweizer Frisur hatten wir uns auf diese Mutprobe vorbereitet… für den ersten Haarschnitt auf unserer Reise haben die Fotos allerdings nicht viel genützt. Bei David blieben die Haare vorerst zu lang. Als er die Frisur kürzer wollte, seufzte die Coiffeuse erleichtert auf, legte die Schere beiseite und griff zur Domdöse. Bis Istanbul musste er die seitlichen Haare (oder was davon übrig blieb) mit Sonnencreme einschmieren:-). Meine Frisur entsprach eher einem lokalen Standard als den Fotos, konnte aber von David mit der Nagelschere um die Ohren und am Nacken nachgebessert werden 😉

Frisch gestylt verliessen wir Plovdiv, um das Bachovski-Kloster mit seinen eindrücklichen Wandmalereien zu besuchen. Das berühmte Rila-Kloster und das futuristische Buzludzha-Denkmal liessen wir aus, da wir diese Sehenswürdigkeiten auf einer früheren Bulgarien-Reise besichtigt hatten (siehe Fotogallerie).

Über wenige Kilometer Griechenland erreichten wir die Türkei mit einem problemlosen, lustigen Grenzübertritt. Das Gerät zum Einlesen der Pässe heisst nämlich Regula, was alle zum Lachen brachte. Dank unserem Reiseführer und etwas Internetrecherche wussten wir, dass in der Grenzstadt Edirne an diesem Tag das Kirkpinar-Tournier eröffnet wurde. Kirkpinar ist nach den Olympischen Spielen das älteste Sportfest der Welt. Bei diesem Sport handelt es sich um eine Art von Wrestling/Schwingen, mit dem Ziel, den Gegner auf den Rücken zu legen. Speziell daran ist, dass sich die Sportler vor und nach dem Kampf von Kopf bis Fuss mit Öl übergiessen und gegenseitig einreiben. Sie werden deshalb so gschlifrig, dass sie sich nur noch mit Griffen an oder in(!) die Hosen zu Fall bringen können. Berührungsängste sollte man bei diesem Sport nicht haben, siehe Bilder;-). Die richtigen Wettkämpfe fanden erst eine Woche später statt aber wir hatten das Glück, einer Nachwuchstruppe beim Training zuschauen zu können.

Die Geschichte der drei Reisetage durch den europäischen Teil der Türkei ist schnell erzählt: Tschaupe bis nach Istanbul. David hatte mich zum Glück darauf vorbereitet, dass die Fahrt durchs Hügelland ab Edirne anstrengend sein würde. Es ging stets auf und ab aber auch Gegenwind und klebriger Strassenbelag haben uns das Weiterkommen erschwert. Zudem waren die Begegnungen mit den (beängstigend grossen!) türkischen Strassenhunden zahlreich und zeitraubend.

Die Einfahrt nach Istanbul (15 Millionen Einwohner) führte durch 70km Stadtgebiet. Wir sassen bereits morgens um 6 Uhr im Sattel und waren mit zunehmend viel Verkehr auf bis zu 4-spurigen Strassen unterwegs. Die Auto- und Lastwagenfahrer waren grösstenteils rücksichtsvoll. Grössere Fahrzeuge, die nicht abbremsen wollten, kündigten sich oft mit einem kurzen Hupen an. So waren wir darauf vorbereitet, den Lenker gut festzuhalten und keinen Schlenker zu machen:-D. Nach einem anstrengenden Vormittag unter vollster Konzentration schmeckte das Fischsandwich im Zentrum von Istanbul besonders gut!

Wir verbringen nun fast eine Woche als «normale» Touristen in Istanbul. Zwei Tee (Iki Çay!) bestellen wir bereits in fliessendem Türkisch 😉