Unseren zweiten Freiwilligeneinsatz verbrachten wir bei einem Schreiner / Imker / Gärtner in einem privatisierten Kibbuz in der Nähe von Tel Aviv. Unter dem Namen Ivry-B produzieren Eran und sein Team runde Bienenstöcke aus Holz. Dank einer transparenten Abdeckung können die Bienen ungestört beobachtet werden.

Inspiriert wurde Eran durch die Ausgrabung der weltweit ältesten Bienenstöcke bei Tel Rehov: Demnach wurden die Bienen vor rund 3000 Jahren in Lehmrohren gehalten. Die Bienenstöcke von Ivry-B haben uns sehr gut gefallen und wir denken, dass sie auch in der Schweiz (u.a. zu Schulungszwecken) Potential hätten. Falls jemand Interesse hat, könnt ihr euch direkt mit Eran in Verbindung setzen. Und ja, wir betreiben nach wie vor einen unabhängigen Reiseblog ohne Sponsoring oder Werbeaufträge😉

Die meiste Zeit verbrachten wir nicht beim Imkern sondern in der Holzwerkstatt, wo die Bienenstöcke hergestellt werden. David konnte sich sowohl in der Werkstatt als auch mit anderen Projekten nützlich machen. Weil meine Fähigkeiten vielfach nur zum Handlangen reichten und der Küchendienst von einer anderen Freiwilligen übernommen wurde, fühlte ich mich oftmals nutzlos und überflüssig. Trotzdem war der Freiwilligeneinsatz für uns beide sehr lehrreich und bereichernd. Abgesehen von vielen praktischen Tipps aus der Schreinerei, fanden wir Erans Lebenserfahrung und -einstellung sehr inspirierend! Seine Tür stand immer offen und er hat Herz, Verständnis und Toleranz für alle. Während unseres kurzen Aufenthalts lernten wir seine erste und zweite Exfrau, seine Freundin, Töchter, Freunde etc. kennen und waren Teil der Familie.

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Auch sehr liberal, modebewusst und hip erlebten wir Tel Aviv auf einem Wochenendausflug. Die Bauhaus-Architektur mit ihren klaren Formen und das Sehen und Gesehen-Werden an der Strandpromenade haben uns besonders imponiert. Ohne Birkenstöcke, Leggins, passendes Top und Yogamatte auf dem Gepäckträger fiel ich in der lebendigen Stadt zugegebenermassen etwas ab und auch David fehlten hautenge Jeans, Muskelshirt und der richtige Hund😉.

Im nur 100km entfernten Jerusalem hat sich das Bild geändert… Die Stadt ist ein Gewirr von Religionen, Ethnien und Gesinnungen. Im Quartier der orthodoxen Juden wurde mit Plakaten darauf aufmerksam gemacht, dass sich die Frauen sittlich kleiden sollen.
Weil uns die Unterkunft in Jerusalem zu teuer war, übernachteten wir im palästinensischen Betlehem, auf der anderen Seite der berühmten Mauer. Vom idyllischen Stall mit Maria und Josef, Esel, Ochs und Krippe fehlt in Betlehem jede Spur. Nur der Weihnachtsbaum vor der Geburtskirche (Jesus) erinnert an die Weihnachtsgeschichte. Heutzutage führt der direkteste Weg von Nazareth nach Bethlehem über drei Checkpoints. Ob Maria und Josef passieren dürften, würde die israelische Armee (IDF) entscheiden. Für unsere «Reise nach Jerusalem» überquerten wir jeweils den gleichen Checkpoint wie die palästinensische Bevölkerung – im Gegensatz zu ihnen benötigen wir dazu keine Spezialbewilligung.

Ein anderes, aufwühlendes Erlebnis war die Führung von «Breaking the Silence» durch die Altstadt von Hebron.

Breaking the Silence

Das NGO «Breaking the silcence» beschreibt sich wie folgt:

Breaking the Silence ist eine Organisation von Soldatenveteranen, die seit Beginn der Zweiten Intifada im israelischen Militär gedient haben und es sich zur Aufgabe gemacht haben, die israelische Öffentlichkeit mit der Realität des täglichen Lebens in den besetzten Gebieten vertraut zu machen. Wir bemühen uns, eine öffentliche Debatte über den Preis anzuregen, der für eine Realität gezahlt wird, in der junge Soldaten tagtäglich mit der Zivilbevölkerung konfrontiert sind und den Alltag dieser Bevölkerung kontrollieren. Unsere Arbeit zielt darauf ab, die Besatzung zu beenden.

Finanziert wird das NGO grösstenteils durch staatliche Akteure, u.a. durchs Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Die Zeugenaussagen der Soldatenveteranen sind auf der NGO-Webseite frei zugänglich: www.breakingthesilence.org.il

Die Organisation führt monatlich Touren nach Hebron durch, um auf die Siedlungsproblematik und die überaus schwierige Rolle der Soldaten aufmerksam zu machen. Da das NGO in Israel nicht unumstritten ist, gingen wir entschieden kritisch auf die Tour… und erlebten eine sehr eindrückliche und professionelle Führung.

Hebron zählt sowohl für Juden als auch für Muslime zu den vier heiligsten Städten und liegt im palästinensischen Westjordanland. Als Reaktion auf das Attentat durch Baruch Goldstein im Jahr 1994, wurde die Stadt im Oslo-Abkommen in eine H1 und H2 Zone (=Stadtzentrum) unterteilt. In der vom IDF kontrollierten H2 Zone leben ca. 30’000 Palästinenser sowie 800 jüdische Siedler. Etwa 650 Soldaten schützen beide Seiten vor Übergriffen, wobei eine Sicherheitszone aus Häusern erstellt und die Bewegungsfreiheit der Palästinenser in H2 massiv eingeschränkt wurde (generelles Fahrverbot, Zonenverbot, Permits für Besuche, etc.). Während der Führung zeigte uns Breaking the Silence die Folgen der aktuellen Siedlungspolitik (= das Zentrum ist eine Geisterstadt) und die ungleiche Behandlung der Bevölkerungsgruppen (= Zivilrecht für Siedler, Militärrecht für Palästinenser, …).
Ein militanter Siedler nahm jede Möglichkeit zum Stören wahr die Tour mit Kamera und Geschrei zu stören. Freundliche aber verunsicherte Soldaten versuchten ihn erfolglos wegzuweisen.

Nach diesen verstörenden Eindrücken waren wir umso dankbarer für die vielen schönen Begegnungen und Erlebnisse, die wir bei unseren Warmshowers-Gastgebern, während den Freiwilligeneinsätzen und mit Leuten unterwegs sammeln durften!
Beispielshaft, dass in diesem Land vieles anders läuft, war der Grenzübertritt nach Jordaniens: Anstelle einer Visagebühr wurde eine Ausreisegebühr erhoben und für die Grenzüberschreitung mussten wir uns und die Velos für nur 200m in einen Bus verladen. Die Tickets bezahlten wir mit den letzten Schekel😉.