Für die Fähre übers Kaspische Meer von Alat (Aserbaidschan) nach Kuryk (Kasachstan) gibt es keinen Fahrplan: das Schiff fährt, wenn die Ladefläche voll ist und die Witterung es zulässt. Die Dauer der Überfahrt variiert von einem Tag bis zu einer Woche, da die Fähren nur bei gutem Wetter anlegen können und das Kaspische Meer berüchtigt ist für starke Winde und Seegang. Wir stellten uns dementsprechend auf eine lange Wartezeit am Hafen sowie Seekrankheit, dreckige WC-Anlagen und schlechtes Essen auf dem Schiff ein.

Wir trafen um die Mittagszeit am Hafen in Alat ein, wurden freundlich in die Wartehalle gebeten und machten es uns dort gemütlich. Die Fähre fahre morgen und erst dann könnten wir die Tickets kaufen. Am nächsten Tag erhielten wir die Auskunft, die Abfahrt sei um 17 Uhr geplant. Wir teilten uns den Tag so ein, dass immer etwas los war😉: am Vormittag Teetrinken im Hafencafé, am Nachmittag Geldwechseln im improvisierten Bank-Container. Willkommene Abwechslung brachte eine junge Schweizer Familie, die mit uns als einzige Touristen auf der Fähre reiste.

Gegen 18 Uhr erkundigten wir uns nach der Abfahrt, die nun in zwei bis drei Stunden erfolgen sollte. Kurz vor Mitternacht war es soweit und wir durften zum Ausreisegebäude fahren. Nach einer mässig seriösen Gepäckkontrolle war wieder unklares Warten angesagt. Wir hatten die Hoffnung auf eine baldige Abfahrt bereits aufgegeben und die Schlafmätteli ausgelegt, als wir um 2 Uhr nachts doch noch an Bord gehen durften. Zu unserer angenehmen Überraschung bekamen wir eine private 4er-Kabine mit eigenem WC und Dusche zugewiesen. Wir schluckten prophylaktisch eine Tablette gegen Reisekrankheit und legten uns für eine kurze Nacht ins Bett.

Als wir am Morgen aufwachten, lag die Fähre wenige Kilometer von Baku entfernt auf Anker. Einen Tag lang bewegte sie sich nicht vom Fleck. Glücklicherweise hatten wir keinen Seegang und daher Appetit aufs einfache (aber erstaunlich gute) Essen im kleinen Speisesaal voller Lastwagenfahrer. Die Essenszeiten waren die einzigen Programmpunkte. Dazwischen gab es nichts zu tun… eBook lesen, Podcast hören und schlafen.

Ziemlich genau 48 Stunden nach der Abfahrt und kurz nach Mitternacht polterte es an der Kabinentür: Aufstehen, Kabine räumen…! Wenig später legte die Fähre in Kuryk an. Wir Touristen wurden bevorzugt behandelt, durften vor allen Lastwagenfahrern die Einreiseformalitäten erledigen und spazierten nachts um 3 Uhr von Bord. Müde verliessen wir das Hafengelände, um hinter dem erstbesten Schutthaufen unser Zelt aufzuschlagen.

Am nächsten Morgen erblickten wir erstmals die karge, kasachische Trockensteppe. Mit starkem Rückenwind rasten wir nach Aktau, von wo aus wir die Weiterfahrt planten und uns über nahegelegene Sehenswürdigkeiten informierten. Je mehr wir uns von der Stadt entfernten, desto (menschen)leerer wurde die Steppe.

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Am ersten Tag genossen wir die Fahrt durch die eindrückliche Landschaft bei mässigem Wind. Doch bereits am zweiten Tag war der Wind so heftig und mit Nieselregen gespickt, dass wir den Vormittag in einem Café verbrachten. Auf den 130km langen Umweg zu Untergrund-Moscheen (dort windet es zwar nicht😉) verzichteten wir und nutzten stattdessen den Rückenwind für die Fahrt Richtung Beyneu aus. Zum Eintauchen in die lokale Kultur, setzten wir uns lieber in ein warmes Restaurant und verdrückten je drei Spiegeleier zum Znüni😉.

Die Temperaturen wurden wieder angenehmer und der Wind von der Seite erlaubte uns voranzukommen, sodass wir nach fünf Tagen in Beyneu ankamen. Am usbekischen Grenzposten profitierten wir erneut vom Touristenbonus und konnten alle Schlangen überspringen. Ab dem Grenzübertritt trennten uns noch knapp 450km von Nukus, der ersten grösseren Ortschaft in Usbekistan. Wegen versalzenem und ungeniessbarem Grundwasser aus veralteten Leitungen, mussten wir alles Wasser in Minimärkten kaufen, welche bis zu 130km auseinander lagen. Zum Glück wurde die Strasse von vielen Lastwagen und Sammeltaxis befahren, sodass wir problemlos Hilfe bekommen hätten. Mit guter Vorbereitung auf die spärliche Versorgungslage, waren wir zuversichtlich, dass wir nach dem kasachischen auch den usbekischen Steppenabschnitt meistern konnten!

Der heftige Gegenwind mit viel Staub und die schlechte Strasse reduzierten unser Tempo auf frustrierende 11km/h. Unsere Strategie, bei Gegenwind einen kleinen Gang einzulegen und locker zu pedalieren, funktionierte in diesen Bedingungen nicht mehr… wir mussten kräftig tschaupe! Bei Sonnenaufgang waren wir bereits auf der Strasse und nutzten die frühen Stunden, bevor der Wind auffrischte. Trotzdem sassen wir pro Tag sieben bis acht Stunden im Sattel!

Unser Blick richtete sich meistens auf die holprige Strasse. Wenn er manchmal in die Ferne schweifte, zeigte sich während Tagen das gleiche Bild: flache Steppe, ein paar Büsche, Staub und Trockenheit. Vom Aralsee, welcher früher für ein gemässigteres Klima sorgte, ist wegen der sowjetischen Planwirtschaft mit wasserintensivem Baumwollanbau in Usbekistan und Turkmenistan nichts mehr übriggeblieben. Den Schiffsfriedhofs bei Moynaq am Rande des ausgetrockneten Aralsees besichtigten wir nicht. Der Anblick der versalzenen Felder und des praktisch versandeten Amudarja Flusses (einst der grösste Fluss Zentralasiens) auf der Einfahrt nach Nukus waren traurig genug… Diese Artikel der Süddeutschen Zeitung (2-seitig!) und von Eurasia.net geben einen realistischen Eindruck.

Nach zwölf Tagen anstrengender Wüstenfahrt mit konstant starkem Wind kamen wir total staubig, dreckig und erschöpft… aber zufrieden in Nukus an. Selten war die Vorfreude auf eine Dusche und gewaschene Kleider so gross😊! Hier in Nukus laden wir unsere Batterien auf und befreien uns und die Velos vom gröbsten Staub.