Kaum lag Arslanbob hinter uns, hatten wir uns mit Kirgistan wieder versöhnt. Wir genossen Shoro (ein Gersten-Weizen-Mais-Getränk) am Strassenrand und waren von der landschaftlichen Vielfältigkeit überrascht! Grüne, fruchtbare Täler wechselten sich mit kargen und erodierten Landstrichen ab. Die Routenwahl wurde durchs gewitterhafte Wetter und geschlossene Passstrassen vereinfacht.

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Unzählige kurze und steile Hügel führten uns entlang des gestauten Naryn-Flusses zum Toktokul-Stausee. Die Aussicht auf den spiegelglatten See mit Bergpanorama im Hintergrund war fantastisch… so wie unser Zeltplätzchen direkt am Ufer! Die Strasse zum Ala-Bel Pass war viel weniger verkehrsreich als befürchtet und führte durch eine Landschaft, wie wir uns Kirgistan vorgestellt hatten: grüne Hochtäler mit sanften Hügeln, Jurten, Pferde- und Schafherden. Am Strassenrand verkauften die Nomaden getrocknete Joghurtbällchen und vergorene Stutenmilch.
Über eine holprige Piste folgten wir dem Fluss Kökömeren abwärts durch eine eindrückliche Schlucht. Kurz vor Erreichen der asphaltierten Strasse campierten wir vor den roten Felswänden und fühlten uns fast wie in den USA.

Was wir in Kirgistan ganz sicher sehen wollten, war der Song-Kül, ein Bergsee auf 3016m. Es stellte sich nur die Frage, über welche Strasse wir den See am besten erreichen konnten. Von einem lokalen Tourguide erhielten wir die verlässliche Auskunft, dass alle Zufahrtswege schneefrei seien. Mit einer abenteuerlichen Route im Kopf und viel Proviant im Gepäck verliessen wir Chaek und wurden kurz darauf von einem kräftigen Gewitter eingeholt. Bei einem 3in1 «Kaffee» überdachten wir unser Vorhaben und fuhren statt direkt zum Song-Kül weiter den Bergen entlang Richtung Kochkor. Dummerweise mussten wir die staubige Piste viele Kilometer lang mit Lastwagen vom Kohlebergwerk teilen.

Nach einem weiteren gewitterhaften Tag stellte sich wieder stabiles Schönwetter ein, ideal für den Aufstieg zum Song-Kül über den Kalmak-Pass – mit 3446m der bisher höchste Bergpass unserer Reise. Wow, was für eine Aussicht vom Pass auf den glatten See! Wow, was für ein prächtiger Zeltplatz am spiegelnden Wasser! Wow, was für ein wunderbarer Ort, den wir in der Vorsaison mit wenigen anderen Touristen teilen mussten!
Grosse Pferdeherden, Kühe und Yaks weideten frei am See. Ein Wermutstropfen für alle Pferdefreunde: Die Pferde werden hier nicht zum Reiten gehalten, sondern dienen wie die anderen Tiere primär der Milch- und Fleischproduktion.

Die Abfahrt vom Moldo-Pass konnte David nicht unbeschwert geniessen. Sein Tretlager gab nach über 25000km den Geist auf und pedalieren war nur noch mit viel Krafteinsatz möglich. Erfreulicherweise erreichten wir das Tal praktisch ohne Gegensteigung und David konnte das defekte Lager am Zeltplatz auswechseln. Ein neues Tretlager und das passende Werkzeug hatten wir zum Glück dabei😊. Beim alten Tretlager war die Dichtung gebrochen, der Sand der letzten Monate war ins Kugellager eingedrungen und hatte dieses zerstört.

Am nächsten Tag ging das Treten wieder reibungslos, nur fehlte im Naryn-Tal jegliche Einkehrmöglichkeit für unseren ausgedehnten Znünihalt. Als wir die Hoffnung auf einen Tee aufgegeben hatten, kauften wir in einem Lädeli ein und verschlangen unsere Beute im Schatten vor dem Geschäft. Kurz darauf lud uns die Frau des Ladenbetreibers in ihre Stube ein: Zum Tee gab es Brot, Kompott, Schöggeli und Güetzi, sodass wir gestärkt und glücklich über die herzliche Bewirtung weiterfuhren😊.

In Naryn verliessen wir die Hauptstrasse, um mit einer Rundtour über den Dzalpakbel-Pass (3300m) das Städtchen Kochkor zu erreichen. Unterwegs begegneten wir einem polnischen Velofahrer-Paar, welches nicht die Rundtour, sondern weiter dem Tal folgend die Traverse über den Tosor-Pass (3900m!) gemeistert hatte. Wegen dem vielen Schnee, hatten wir diese Möglichkeit nicht mehr in Betracht gezogen… aber sie würde uns einen ca. 200km langen Umweg ersparen. Wir hatten noch eine Nacht Zeit, um über die Optionen der Weiterfahrt zu schlafen. Einmal mehr bewog uns das unbeständige Wetter zur konservativen Routenwahl entlang der vorgesehenen Rundtour.
Als wir am Nachmittag fluchend über die mühsame Wellblechpiste talauswärts holperten, war der Himmel hinter uns tiefschwarz… Später erfuhren wir, dass aufgrund dieses Gewitters eine Schlammlawine die Nordseite des Tosor-Passes unpassierbar gemacht hatte. Glück gehabt☘️😄!

Von Kochkor ging es in drei unspektakulären Fahrtagen entlang des Issyk-Kul nach Karakol. Die wunderbar neue Asphaltstrasse wurde von einer langen Baustelle (60km ohne Belag und mit unzähligen Umfahrungen) und später von der löchrigen Landstrasse abgelöst. Der See bot jedoch schöne Übernachtungsplätze und die gelb-roten Felsformationen des Fairytail Canyons waren einen kleinen Abstecher wert. In Karakol fanden wir ein sehr sympathisches Guesthouse. Hier können wir es uns für einige Tage gemütlich machen, Wäsche waschen, Velos warten, Material reparieren und putzen, Blog schreiben…

Gestern durften wir unsere Zweitpässe mit den Russland-Visa in Empfang nehmen. Herzlichen Dank an Romina und Nadja von Globetrotter Visaservice für die sehr professionelle und unkomplizierte Einholung der Visa!
Und merci vielmal an Marco, Anne und Marlies von Tunduk.ch für den Transport und die freundliche Übergabe! Die Weiterreise nach Russland via Kasachstan sollte nun möglich sein😊.