Die schlechte Strasse, kräftiger Gegenwind und dunkle Wolken machten uns die Abfahrt aus Karakol nicht leicht. Glücklicherweise zogen die Gewitter am letzten Pass in Kirgistan an uns vorbei, sodass wir trocken in einen kleinen Container zum Zvieri einkehren konnten. Hier nutzten wir endlich die Gelegenheit, die zentralasiatische Spezialität Kumis (vergorene Stutenmilch) zu probieren. Das Getränk schmeckte weniger schlecht als befürchtet und auch der prophezeite Toilettengang als unmittelbare Folge blieb aus😊.

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Der Gegenwind hatte sich inzwischen gelegt und wir verbrachten eine ruhige Nacht auf einer wunderbaren grünen Wiese. Die Hügel am Horizont gehörten bereits zu Kasachstan. Der Weg an die Grenze war am nächsten Morgen denn auch nicht mehr weit. Am kleinen, familiären Grenzübergang im Nirgendwo war es überhaupt kein Problem, mit unseren alten Pässen aus Kirgistan auszureisen und für die Einreise nach Kasachstan die neuen Pässe (mit dem Russlandvisum) zu zücken.
Da der Grenzübergang nur von Mai bis September offen ist, hatten sich Schwalben direkt über der Passkontrolle ein Nest gebaut – sowohl auf kirgisischer als auch auf kasachischer Seite😊.

Gleich nach der Grenze erfreuten wir uns an den guten Strassen und den fröhlichen, interessierten Kasachen. Bereits im ersten Dorf gab es Selfies und unser Sportlergeist wurde gerühmt😉. Wenige Kilometer nach der Einreise aus dem grünen Kirgistan fuhren wir über einen kleinen Pass direkt in eine Wüstenregion im Südosten von Kasachstan. Einen so krassen Übergang von Klimazonen hatten wir noch nie erlebt!
Sehr eindrücklich war auch der Charyn Canyon, welcher den Vergleich mit seinen US-Pendants nicht scheut. Der Fahrweg in den Canyon ist für motorisierte Fahrzeuge gesperrt. Als Velofahrer hatten wir das Privileg, ihn befahren und unten am Fluss (gratis) campieren zu dürfen😊.

Für die Fahrt nach Almaty wählten wir ein Strässchen entlang des Grossen Almaty Kanals. Mit wunderschöner Sicht auf Apfelplantagen, den Bartogai Stausee und die 4000er-Berge hinter Almaty genossen wir diesen Streckenabschnitt. Der einzige Nachteil an der kaum befahrenen Route war, dass es weder Supermärkte noch Restaurants gab. Unsere Vorräte reichten zum Glück bis in die Stadt, auf deren kulinarische Vielfalt wir uns schon seit Monaten gefreut hatten! Die Pizza in Almaty war keine Delikatesse, dafür begeisterte uns das koreanische Essen! Als Folge von ethnischen Deportationen unter Stalin (1937) gibt es in Kasachstan eine koreanische Minderheit (und deshalb leckeres Essen😊).

Abgesehen vom Essen nutzten wir die Zeit in Almaty auch für einen Stadtbummel, zum Abholen eines Päcklis aus der Schweiz sowie zum Einkaufen von Schuhen, Velohelm und einem neuen Ersatz-Tretlager. Für den Rückversand von Kartenmaterial und einem Memorystick mit Bildern verbrachten wir einen ganzen Vormittag auf der Post. Zuerst hatten wir eine Ticketnummer, die nie aufgerufen wurde. Dann stieg der Bildschirm aus, auf welchem die Reihenfolge der Ticketnummern angezeigt wurde. Als uns alle Wartenden überholt hatten, drängten wir ebenfalls an einen Schalter. Wir wurden an eine andere Dame weitergewiesen, welche gerade im Begriff war, den Versand von 50 Büchern einzeln einzutippen. Erfreulicherweise war der Stapel schon zur Hälfte abgearbeitet und für ein Buch benötigte sie «nur» zwei Minuten😉. Drei Tage lang genossen wir das geschäftige, multi-kulturelle Stadtleben von Almaty, bevor wir Richtung Norden pedalierten.

Mithilfe von Google Maps und mapy.cz hatten wir uns auf die Etappen bis Oskemen vorbereitet. Die Versorgung mit Wasser und Essen schien auf der 1080km langen Strecke gewährleistet; alle ungefähr 50km gab es ein Dorf, ein Lädeli oder ein Restaurant. Grösseren Respekt hatten wir vor Gegenwind und den Temperaturen, die in Kasachstan im Sommer oft 42°C überschreiten! Wir waren sehr dankbar, dass unsere Befürchtungen nicht eintrafen und das veränderliche Wetter für ständig wechselnden Wind und angenehme Temperaturen sorgte😊.
Da die Strasse seit sechs Jahren neu gebaut wird, rollten wir meistens auf allerbestem Asphalt. Wo die Arbeiten noch nicht abgeschlossen waren, wurde der komplette Verkehr auf eine parallele Naturstrasse umgeleitet. Je nach Witterung fuhren wir dann durch Schlamm oder eine Staubwolke😉. Abgesehen vom üblichen Verkehr überholten uns täglich bis zu 50 neue chinesische Sattelschlepper auf dem Weg nach Russland. Wir konnten uns nicht vorstellen, dass eine Fabrik so viele Lastwagen produziert!

Die Landschaft im riesigen Kasachstan war weder flach noch eintönig. Gerne hätten wir Exkursionen zu weiteren Nationalparks und zu Felszeichnungen unternommen. Wegen den vielen Zusatzkilometern (>1000km!) haben wir dies jedoch unterlassen… Bis Vladivostok sind es noch 8000km und der Winter in Sibirien beginnt bereits im Oktober:

Russisches Sibirien (Irkutsk) vs. Schweizer Sibirien (La Brévine). Achtung: verzerrte Skalierung! www.meteoblue.com

Zufrieden, dass die Strecke durch Kasachstan so einfach war, verbringen wir in Oskemen zwei Ruhetage. Danach durchqueren wir auf dem Weg in die Mongolei für ca. zwei Wochen das russische Altaigebirge.