Zusammen mit einem spanischen Töfffahrer wurden wir an der russischen Grenze in Tashanta als erste Personen zügig durch das Ausreiseprozedere geleitet. Nach einer halben Stunde hatten wir den Ausreisestempel im Pass und machten uns auf die 25km lange Fahrt durchs Niemandsland zwischen Russland und der Mongolei.

Als wir den mongolischen Grenzposten, anderthalb Stunden später erreichten, war die Autokolonne bereits einige 100m lang. Mit Velofahrer-Bonus wurden wir an allen motorisierten Fahrzeugen vorbei direkt zur Passkontrolle gewunken. Dort standen wir als einzige diszipliniert an und wurden dabei fleissig überholt😉. Im chaotischen Grenzposten interessierte sich niemand für unsere Velos oder Taschen, sodass wir plötzlich mongolischen Boden unter den Füssen hatten.

Vergleich Schweiz – Mongolei

Quelle: Verschiedene, ungenaue Quellen😉


Einwohner
Fläche in km²
Ø-Höhe
Asphaltstrassen
Hauptstadt
…Einwohner
…Ø-Temperatur
…Niederschlag
BIP/Person
Fleisch/Person
Viehbestand

Schweiz
8.7 Mio
0.041 Mio
1350m
71’346km
Bern
0.13 Mio
7.8°
986mm
91’991$
51.8kg
Ca. 3.5 Mio.

Mongolei
3.3 Mio
1.564 Mio
1528m
10’000km
Ulaanbaatar
1.45 Mio
-2°
257mm
4’566$
111.0kg
Ca. 56 Mio.

Die Mongolei hatte uns in den letzten Wochen viel Kopfzerbrechen bereitet. Berichte über sandige Pisten, Wind, Mücken, besoffene Hirten und schlechtes Essen hatten uns ins Grübeln gebracht… schaffen wir das überhaupt?! Um in der Mongolei von Westen ins Zentrum zu gelangen, gibt es drei Hauptrouten: die Nord-, Mittel- und Südroute. Keine davon ist durchgehend asphaltiert. Praktisch alle Fahrzeuge nehmen ab der Grenze die neue Strasse nach Olgii, die erste grössere Ortschaft in der Mongolei. Von dort verkehren sie entweder entlang der Südroute weiter nach Ulaanbaatar oder queren für die Nord- oder Mittelroute nach Ulaangom. Gemäss unserer Recherche wurden in den letzten Jahren zahlreiche Strassen ausgebaut und die Nordroute schien viel Asphalt und am meisten Abwechslung zu bieten. Die schwierigsten Passagen mit ca. 200 km Piste und zwei Flussquerungen ohne Brücke sind in den ersten Tagen zu bewältigen, danach werden die Bedingungen einfacher. Über den Zustand der Piste (Sand, Steine, Waschbrett…), konnte uns niemand Auskunft geben. Für uns wäre tiefer Sand das übelste Szenario, da wir die Velos mühsam schieben oder tragen müssten.
Über die Flussquerungen stand auf der Plattform iOverlander «You may not be able to cross the second river, …unless your car is a submarine…» … aber zumindest gibt es dort Wasser😉.

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Wir waren (an)gespannt, als wir kurz nach der Grenze die nigelnagelneue Strasse verliessen und uns auf die ungewisse Nordroute (Strasse A16😊) begaben. Das Angebot in den kleinen Märkten im Örtchen Tsagaannuur war erwartungsgemäss dürftig. Zum Glück hatten wir uns in Russland mit Vorräten für 5 Tage eingedeckt (Bericht folgt).

Die Landschaft war gewaltig und grandios! Wir verschwanden richtiggehend in den endlosen Weiten und mussten fleissig tschaupe, um darin nicht verloren zu gehen. Die ersten drei Tage durchs Hinterland verlangten uns physisch und vor allem mental einiges ab. Ein Konvoi mit drei 4×4 Fahrzeugen am Morgen, ein Töff mit zwei Einheimischen aus dem Nichts ins Nichts, sonst niemand… nur wir, unsere Velos, Wüste und Mücken um uns herum. Um in dieser Situation die phantastische Umgebung geniessen zu können, fehlte uns die Gelassenheit. Wortkarg und in Gedanken absolvierten wir die steinige aber fahrbare Strecke bis zu den Flüssen. Dank einem Schönwetterfenster waren die Querungen unproblematisch. Das Wasser reichte maximal bis Mitte Oberschenkel und wir konnten Tasche um Tasche, Velo um Velo von einem Ufer zum anderen tragen. Insbesondere bei den Portagen in Wassernähe aber auch auf dem Velo schlugen wir wild um uns, weil uns die Mücken am helllichten Tage schier auffrassen! Der Mückenspray beeindruckte sie nur mässig.

Nachdem wir die karge Ebene hinter uns gelassen hatten, wurde es wieder grüner und die zahlreichen zerschlagenen Voldkaflaschen am Wegrand waren ein deutliches Zeichen dafür, dass wir uns wieder dem Weideland und Gers (mongolische Jurten) näherten. Die «Zivilisation» um uns herum beruhigte unsere Gemüter sehr, sodass wir nun die Musse zum Staunen und Geniessen hatten.

Nach dreieinhalb Tagen authentischem Mongolei-Erlebnis rollten wir auf Asphalt erleichtert nach Ulaangom ein. Hier stockten wir unsere Vorräte auf und nahmen Kurs Richtung Osten. Sowohl die Strasse als auch die Fahrweise der Mongolen waren so angenehm, dass uns der Nervenkitzel schon fast fehlte. Dass es unterwegs auf 250 km kein Wasser gab, hatten wir ganz übersehen. Die zusätzlichen 10 Liter Wasser pro Person erschwerten uns das Pedalieren mindestens kurzfristig wieder😉. Dazu kam immer häufiger unbeständiges (Regen)Wetter, welches wir mangels Unterschlupfs schlecht aussitzen konnten. Eine Unterkunft ohne Dusche, Strom oder WiFi und mit Plumpsklo im Garten (für dessen Benutzung man schwindelfrei sein muss), hätte gegenüber unserem eigenen Zelt keinen Vorteil gebracht. Zugegebenermassen gingen wir auch dem lokalen Essen (d.h. Fleisch) aus dem Weg und kochten lieber selbst. Also stellten wir unseren Palast manchmal im Regen auf packten ihn im Regen wieder ein. Weil es sehr plötzlich und heftig zu winden oder gewittern beginnen konnte, spannten wir das Zelt jede Nacht komplett ab. Einmal mussten wir das Zelt trotzdem von innen festhalten, um nicht weggeblasen zu werden!

Abgesehen davon ist die Mongolei eine grossartige, riesige Zeltwiese, die auch von den Einheimischen rege als solche benutzt wird.
Besuch hatten wir sowohl von Tieren als auch von Hirten. Lautes Schnaufen und Zupfen weckte uns eines Nachts aus dem Tiefschlaf. Eine Kuhherde graste um unser Zelt herum und zog beim Erschnuppern der besten Halme immer wieder an den Zeltschnüren. Einige Male versuchten wir die Herde zu vertreiben, was jeweils eine kurze Ruhepausen brachte. Danach kamen noch mehr gwundrige Nasen zurück😊. An einem regnerischen Morgen wurden wir von ausserhalb des Zeltes auf Mongolisch gegrüsst: «Sain baina uu, sain baina uu…!». David steckte den Kopf aus dem Zelt und grüsste den Töff-Hirten zurück. Kurz darauf öffnete sich der Reisverschluss und der Hirte steckte seinen Kopf ins Zelt… er wollte sehen, wer sich sonst noch im Zelt befand😊.

Traurig, aber teilweise amüsant waren die vielen besoffenen Männer… so erhielten wir die Aufführung eines «Dschingis Khan»-Tanzes, mongolische Sprachlektionen und viele Erzählungen, die wir nicht verstanden😉. Sehr gefreut haben wir uns über viele mongolische Kinder und Jugendliche, die dank Youtube akzentfrei Englisch mit uns sprachen. Oft schickten die Eltern ihren Nachwuchs vor, um uns anzusprechen, bevor sie sich selbst trauten.

Auf der Fahrt von Ulaangom via Tsetserleg nach Kharkhorin waren die Landschaft, Yaks, Pferde, Kamele, Schafe, Ziegen, Kühe, Greifvögel und Gers zwei Wochen lang die Hauptattraktionen. Eine unerwünschte Ablenkung war meine Magenverstimmung, die ich mir wegen verdorbenem Brot eingeholt hatte. Obwohl ich die halbe Nacht kauernd im Kiesbett verbracht hatte, plagte mich am nächsten Morgen immer noch heftige Übelkeit. Nach einigen Stunden Ruhe reichten meine Kräfte für die Fahrt ins zum Glück nur 15km talabwärts gelegene Dorf. Dort konnte David Wasser füllen und einkaufen während ich mich gesund schlief.
Eine schöne Abwechslung war Kharkhorin, wo wir das buddhistische Kloster Erdene Zuu besichtigen. Die farbenfrohen Tempel mit kunstvoll wiederhergerichteten Wandmalereien waren einen Besuch wert.

Etwa 45 km nördlich von Kharkhorin befindet sich die östlichste Fundstelle türkischer Relikte. Die türkische Regierung misst diesem Ort so grosse Bedeutung bei, dass sie ein Museum und – für uns besonders vorteilhaft – eine Asphaltstrasse dorthin finanzierte. Zudem konnten wir beim Museum unsere Wasserflaschen auffüllen, damit wir für den Pistenabschnitt bis zum touristischen Ugii-See gewappnet waren. Die Strapazen der ersten Tage hatten wir so gut verdaut, dass wir zwischen dem Museum und der Stadt Bulgan nochmals eine unbefestigte Abkürzung nahmen. Auf diesem Weg konnten wir die verkehrsreiche Hauptstadt Ulaanbaatar umfahren und nochmals in die Landschaft eintauchen.

In dieser Region sahen wir besonders viele grosse Pferdeherden, die zur Milch- und Fleischproduktion gehalten werden. Melken ist Frauensache, wobei Männer und Kinder die angebundenen Fohlen zu ihren Müttern oder deren trächtigen Kolleginnen führen, damit diese still halten und Milch geben. Ein Teil der Milch wird anschliessend fermentiert und  als Nationalgetränk (Airag) häufig konsumiert. Mehrmals wurde für uns ein Kanister aus dem Auto genommen und uns ein Becher eingeschenkt. Zum Glück hatten wir das gewöhnungsbedürftige Getränk in Kirgistan probiert und konnten es ohne mit der Wimper zu zucken höflich rühmen. Stutenmilch-Risotto mit Curry und Zwiebeln war übrigens unser extravagantestes Znacht😉.

Via Kupferminenstadt Erdenet erreichten wir Sukhbaatar, die letzte grössere Ortschaft in der Mongolei. Wir gönnten uns im öffentlichen Badehaus eine Dusche und campierten auf dem Weg zur mongolisch-russischen Grenze. Bevor uns die unzähligen Mücken zwischen Innen- und Aussenzelt in den Schlaf summten, kreisten unsere Gedanken um die bevorstehende Ein- und Weiterreise nach Russland.