Mit der Fährpassage von Vladivostok nach Donghae legten wir keine grosse Distanz zurück, erreichten aber eine neue Welt: andere Schrift, andere Sprache, anderes Essen, überall Menschen, Strassen, Brücken, Wohnblocks, Cafés, Imbisse, Toiletten, Leuchtreklame, Sehenswürdigkeiten, Musik… Das Fingerabdruck-Gerät bei der Einreise, die Kasse im Supermarkt, der Bankomat, die Ampel, die Toilettentür, die Tanksäule und Sicherheitskameras… alles sprach mit uns… total verrückt😊!

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Gemütlich pedalierten wir auf dem Veloweg von Donghae der Ostküste entlang Richtung Norden. Die Küste war wunderschön und die vielen Fischerdörfer ein Highlight! Wir waren so überwältigt und fasziniert von den vielen Eindrücken, dass wir kaum vorwärtskamen.

Wer in Südkorea einer Veloroute folgt, kann unterwegs in alten Telefonkabinen (d.h. «Certification Center») einen Velopass stempeln. Bei einigen «Certification Centers» gibt es Zusatzstempel für die Errungenschaften «Cross-Country», «4 Rivers» und «Grand Slam» (für alle 84 Stempel). Die Koreaner flitzten mit den neusten Rennvelos und passenden Trikots an uns vorbei, stoppten aber bei jeder Telefonzelle, um gewissenhaft die Seiten ihres Velopasses zu füllen😊. Auch wir machten beim Stempelspass mit und verzierten unsere Strassenkarte😉.

Bevor wir nach Korea kamen, konnten wir uns das Campieren in einem der dichtbesiedelsten Länder der Welt nicht vorstellen. Vor Ort war es schon fast zu einfach! Abends suchten wir ein öffentliches WC in einem Park, an einer Raststätte, auf einem Parkplatz oder Aussichtspunkt und stellten daneben unser Zelt auf😊. Viele Koreaner nächtigten in ihren Autos oder Campern ähnlich wie wir, wobei ihre Ausrüstung im Gegensatz zu unserer makellos war und jedes erdenkliche Utensil umfasste. Morgens wurden wir oft von Senioren geweckt, welche im Park ihre Fitnessübungen machten.
Apropos Toiletten: Ob am Bahnhof, in der Metrostation, an der Tankstelle, am Strand oder Veloweg, die WCs waren immer gratis, sauber und bereit zum Absitzen! Auch dass aus jedem Hahn Trinkwasser floss und unsere Schlafplätze normalerweise mit Strom und WiFi ausgestattet waren, war purer Luxus😊.

Der koreanische Perfektionismus macht (leider?) vor den Lebensmitteln nicht halt: Nur «premium» ist gut genug, die prächtigen Äpfel sind einzeln in Plastikschalen verpackt und kosten pro Stück 4.- CHF! Entsprechend brauchten wir Zeit, um uns ans veränderte Nahrungsangebot zu gewöhnen. Wie sollten wir den «kleinen» Hunger zwischendurch stillen, wenn es kein Brot, keine Backwaren, Waffeln, Salzstängeli oder Trockenfrüchte gibt? Die Antwort fanden wir in den allgegenwärtigen Convenience-Stores mit einem grossen Sortiment von leckeren Reissandwiches (Onigiri), Ramensuppen und vorgekochten Reisgerichten. Weil uns das koreanische Essen sehr gut schmeckte, versuchten wir uns mittags jeweils in einem Restaurant für ca. 5.- CHF zu verpflegen (=1.25 Apfel😉).

Zurück zur Velofahrt, die, wie ihr wahrscheinlich bemerkt habt, in Korea zur Nebensache wurde: In Sokcho verliessen wir die Küste und stiegen zum Seoraksan Nationalpark auf. Gemeinsam mit einer Schar von fitten Rentnern in neuster Wandermontur absolvierten wir eine wunderbare Herbstwanderung über den «Drachenrücken». Meine ungeübten Beine hatten noch eine Woche später schmerzhafte Erinnerungen an die neunstündige Wanderung mit unzähligen Auf- und Abstiegen…🙄
Dank den vielen Wanderern konnten wir die koreanische Begrüssung («Annyeonghaseyoooo…») und das Danken (Verbeugung mit «Gamsamnidaaaa…») üben, was bei den Einheimischen Begeisterung auslöste😀!

Auf kleinen Strassen fuhren wir bis Chuncheon, wo eine neue Veloroute nach Seoul begann. Ohne Autoverkehr und völlig stressfrei radelten wir dem Fluss entlang direkt ins Zentrum der 10-Millionen-Metropole Seoul.
Auf dem Weg bemerkte David mit Schrecken einen Riss an der Schweissnaht seiner Hinterradfelge! Wir glaubten, dass das Timing für diesen Defekt ideal sei. In der Hauptstadt eines velobegeisterten Landes würde es einfach sein, eine Ersatzfelge zu kaufen und einspeichen zu lassen. Überrascht stellten wir fest, dass alle hochwertigen Trekkingfelgen in Europa produziert werden und in Ostasien nicht als Ersatzteil verfügbar sind! Zudem war unsere Ausrüstung mit 26 Zoll Rädern und Felgenbremsen in Korea museumsreif😉. Die Suche nach einem Felgenersatz in Seoul war ein aufwendiges Rahmenprogramm. Erst nach mehreren erfolglosen Anläufen fanden wir einen Mechaniker, der ein chinesisches Fabrikat an Lager hatte. Wir waren so froh, dass wir gerne drei Tage warteten und den stolzen Preis für die Reparatur bezahlten.

Die Wartezeit in Seoul war alles andere als langweilig. Wir genossen die geschäftigen Märkte mit leckeren Gassenküchen und die abendliche Aussicht von N-Tower. Ein weiterer Höhepunkt war die Kostümshow im Gyeongbokgung-Palast, zu welchem gratis Zutritt erhält, wer in traditioneller koreanischer Kleidung erschient (wir nicht😉).
Viel Grund zum Schmunzeln gaben uns die Menschen mit ihren Haustieren. Hübsch gekleidete Hunde mit Fönfrisur, Mäscheli im Haar und Sonnenhut wurden im Wägeli ausgeführt, Katzen durften im Rucksack mit Aussichtsfenster auf Töfftour.

Nach vier Tagen verliessen wir Seoul auf dem Veloweg Richtung Busan. Velotunnels, -lifte, -stege, -kreisel und Stempelstationen machten die Fahrt auch bei regnerischem Wetter vergnüglich. Unterwegs besuchten wir den Haeinsa-Tempel, in welchem die weltweit ältesten buddhistischen Skripte auf hölzernen Druck-Tafeln gelagert werden. Einige ruhige Fahrtage später erreichten wir die Hafenstadt Busan. Von hier nehmen wir morgen die Fähre nach Japan. Dies, obwohl es in Südkorea sehr viel mehr zu sehen und entdecken gegeben hätte… Korea, wir kommen wieder😊!