Der internationale Passagierhafen von Busan war bestens organisiert. Die Velos durften wir mit allen Taschen beim Frachtterminal abgeben, den wir dank einer mehrseitigen Beschreibung problemlos fanden. Auf der Fähre gab es so viel Platz, dass wir alleine im 8er-Zimmer übernachten und das einzige Tischchen bei den Getränkeautomaten beschlagnahmen konnten. Dass wir dort Bekanntschaft mit einem belgischen Ehepaar machten, sorgte für eine sehr kurzweilige und unterhaltsame Überfahrt.

Wegen der gründlichen Gepäckkontrolle dauerte die Einreise in Osaka länger als üblich. Die beiden jungen Zollbeamten wollten jeden einzelnen Gegenstand unserer Ausrüstung sehen, was bei insgesamt zehn Taschen einige Zeit in Anspruch beanspruchte. Wir nahmen die Prozedur gelassen und mit Humor, hatten jedoch Mitleid mit den beiden, die ihre Aufgabe sehr gründlich und pflichtbewusst wahrnahmen😊. Sie entschuldigten sich unzählige Male «Sumimasen» und verbeugten sich dankbar.
Nach der erfolgreichen Einreise war das gemeinsame Zmittag mit unseren belgischen Reisegefährten ein sehr gelungener Start unserer Japanreise.

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Die nächsten offenen Arme empfingen uns schon wenige Kilometer später in Sakai, einer Vorstadt von Osaka. Hier durften wir für einige Tage bei den Warmshowers-Gastgebern Emi und Koji wohnen und den Alltag mit ihnen teilen. Die beiden waren selbst dreieinhalb Jahre mit dem Velo unterwegs und Emi hat heute ihre eigene Sprachschule. Zum Aufenthalt gehörte eine tolle Halloweenparty für die Sprachschüler mit BBQ, Darbietungen und Spielen.

Für den Ausflug nach Osaka parkierten wir unsere Velos bedenkenlos am Bahnhof Sakai und nahmen den Zug ins Zentrum. Von der Stadt sahen wir eigentlich nur endlose Einkaufszentren, die unbemerkt in Metrostationen übergingen und umgekehrt.
Sehr viel beschaulicher war die Bahnreise nach Kishi. Die kleine Bahnlinie stand 2007 kurz vor dem Ruin, als die Katze Tama als oberste Bahnhofvorsteherin («Super Station Master») eingestellt wurde. Die Neubesetzung sorgte in Japan für so viel Aufsehen, dass die Menschen in Strömen nach Kishi pilgerten und damit die Bahnlinie retteten. Dank gutem Marketing erlangte Tama internationale Berühmtheit und erbrachte der Region Millioneneinnahmen. Als Tama 2015 verstarb (zu ihrer Trauerfeier kamen über 3000 Gäste), hatte sie ihre Nachfolgerin bereits einige Jahre eingearbeitet. Inzwischen sind zwei Stationen von Katzen bedient. Nitama und Yontama arbeiten je fünf Tage und teilen sich den Dienst. Wir trafen leider bloss Nitama an, Yontama hatte frei😊. Das Büsi wartete in ihrer Glasvitrine ungeduldig aufs Essen und gönnte sich danach einen Mittagsschlaf. Viel spektakulärer als das Selfie mit Nitama, waren die vielen herzigen Souvenirs und die verschiedenen Stempel, welche zusammen ein Bild ergeben. Eine verrückte, japanische Geschichte und ein tolles Erlebnis!

Auch den Besuch des Velomuseums beim Shimano-Hauptquartier liessen wir uns nicht entgehen, bevor wir uns nach fünf Pausentagen wieder in den Sattel schwangen. In kurzen Tagesetappen führte die Reise zu den Rehen nach Nara und weiter bis Kyoto. Die Stadt war so sehr von Touristen überflutet, dass ihr jegliche Authentizität oder Atmosphäre abhanden kam. Es war beschämend, Teil dieses Massentourismus zu sein und selber den seelenlosen Hauptsehenswürdigkeiten nachzujagen. Wir gehörten sogar zur schlimmsten Sorte, die morgens um 04:30 Uhr aufsteht, um bei Tagesanbruch die Torii-Bögen des Fushimi Inari-Taisha Schreins etwas unbevölkerter zu sehen😉. Wirklich stimmungsvoll waren aber auch die frühen Morgenstunden nicht, denn bei uns und allen anderen ging es darum, schöne Fotos zu machen und dann zur nächsten Attraktion zu hasten.

Nach zwei Tagen ergriffen wir die Flucht und fuhren dem schönen Biwa See entlang bis Kanazawa. Hier war die Stadtbesichtigung ein Vergnügen, da das Verhältnis von Einheimischen zu (offensichtlichen) Touristen besser stimmte. Über eine kleine Passstrasse wollten wir nach Shirakawa gelangen, ein Dorf mit historischen Strohdachhäusern. Die anvisierte Strasse war allerdings so klein, dass sie sich auf halber Strecke zum Fussweg verwandelte und wir umkehren mussten. Mit einem Umweg über grössere Strassen erreichten wir am nächsten Tag trotzdem Shirakawa und wagten uns über einen weiteren Pass mit Wintersperre. Diesmal glückte uns die Traverse😉. Auf kleinen, verkehrsarmen Strässchen kurvten wir im farbenprächtigen Herbstwald durch die Japanischen Alpen. In Takayama und Matsumoto deckten wir uns jeweils mit Essen ein, bevor es über die nächsten Passsträsschen ging. Wir konnten kaum glauben, dass man in Japan stundenlang kein Auto oder Mensch treffen kann!

Selbst auf den Nebenstrassen gibt es in Japan unzählige Tunnels, die manch eine Zusatzschlaufe oder extra Höhenmeter ersparen. Dank guter Beleuchtung, einwandfreiem Strassenbelag und dem zuvorkommenden japanischen Fahrstil waren die Tunnelpassagen ungewohnt stressfrei. Für den Ausblick auf das japanische Matterhorn pedalierten wir an einem Tag durch insgesamt 49 Tunnels ins Kamikochi-Tal… etwas ernüchtert stellten wir fest, dass das hiesige Matterhorn dem Schweizer Pendant nur ähnlich sieht, weil es ein Berg ist😉.
Kurz bevor wir das Grossstadtgebiet Tokio erreichten, folgten wir einem Insidertipp zum Mitsumine Schrein, wo wir ausnahmsweise die einzigen westlichen Touristen waren.

Das Reisen in Japan ist auch ohne Kenntnisse der lokalen Sprache und Schrift einfach und angenehm, das Essen ist wunderbar und äusserst vielfältig! Die meisten Leute sind sehr zurückhaltend, andere dagegen ausgesprochen kommunikativ. Als einem gekrümmten Grosi vor dem Supermarkt die Tasche vom Rollator fiel, half David ihr beim Aufheben. Daraufhin setzte sie sich zu uns, unterhielt uns auf Japanisch und zeigte auf dem Smartphone ihre Bilder: brillantes Feuerwerk, schöne Gärten, traditionelle Festivals, … Wir staunten nicht schlecht, was das Grosi mit ihrem Handy alles fotografiert! Erst bei den Kirschblüten-Fotos bemerkten wir den Bildschirmrand ihres Fernsehers😀. 
Etwas ungewohnt ist die Bedienung von Geräten wie WC’s, Duschen, Klimaanalagen, Waschmaschinen oder Kochherden. Die vielen Knöpfe sind in Japanisch angeschrieben und zeigen meist weder Symbole noch eine gängige Farbcodierung. Dass es in Japan seit dem Saringasanschlag von 1995 keine öffentlichen Abfalleimer mehr gibt, macht das Entsorgen für uns mühsam. Wir können unseren Müll nur in Mini-Märkten wegwerfen und uns nebenbei einen warmen Kaffee gönnen😉.

Heute geniessen wir den frühen Abend und die spätherbstliche Kälte vor dem Cheminéefeuer in einem B&B vor den Toren Tokios. Unser schweizerisch-japanischer Kontakt aus Saitama hat uns zu dieser Übernachtung im japanischen Stil mit Tatamimatte und Futonbett eingeladen. Merci viu mau, Anna!!! Wir freuen uns sehr, dich und deine Familie morgen kennenzulernen😊!