Mit der Fähre erreichten wir gegen Mitternacht die Stadt Beppu auf der Insel Kyushu. In einem hafennahen Park fanden wir problemlos ein öffentliches WC mit Platz zum Zelten. Erst bei Tagesanbruch erkannten wir, dass wir in einem der bedeutendsten Badeorte Japans angekommen waren: Überall dampfte es aus dem Boden, Schwefelgeruch lag in der Luft.

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Weil sich der Morgen so strahlend schön präsentierte, wollten wir die Zeit jedoch lieber zum Velofahren als für einen Onsenbesuch nutzen. Obwohl es auf Shikoku in den Bergen (zu) kalt war, wagten wir uns in Kyushu erneut in die Höhe. Ab dem Start an der Küste ging es stetig bergauf zum Mount Aso, dem grössten aktiven Vulkan in Japan. Bei wunderbarstem Wetter durften wir die Fahrt, die einzigartige Landschaft und den Tiefblick in den rauchenden Krater geniessen.

Ebenfalls genossen haben wir das Bad im Onsen, für welches wir uns am Abend spontan entschieden. Als es um uns herum überall dampfte und wir das sympathisch aussehende Schild eines Onsen sahen, konnten wir unseren (selbst auferlegten😉) Pflichtbesuch in einem japanischen Badehaus nicht länger aufschieben. Dass es nur private, kleine Badehäuschen gab, kam uns sehr entgegen. So konnten wir nämlich nichts falsch machen und für spätere Onsenbesuche üben. Das warme Wasser mit Aussicht in die kalte Vulkanlandschaft war zugegebenermassen herrlich (…obwohl Spa überhaupt nicht mein Ding ist). Das Gefühl, wiedermal richtig durchgewärmt zu sein, hielt sich bis am nächsten Morgen😊.

In ein paar Tagesetappen auf schönen Bergsträsschen erreichten wir die Südseite von Kyushu. Hier holte uns das Regenwetter ein und begleitete uns einen ganzen Tag lang von früh bis spät. Es war schon am Eindunkeln, als wir ins Dorf Ibusuki einrollten. Der Ort ist bekannt für die Bäder im von Thermalquellen aufgeheizten Sand. Obwohl es viel Überwindung kostete, uns aus den pflotschnassen Kleidern zu schälen, wollten wir das Sandbad nicht verpassen. Und der Stupf ins Füdli lohnte sich sehr! Wir wurden bei lebendigem Leib bis zum Kopf im warmen Sand begraben, spürten den Puls in allen Gliedern und hörten den Regen aufs Dach prasseln… wie wunderbar erholsam!

Bei besserem Wetter führten uns die nächsten Tage durch das hübsche Samurai-Dorf Chiran, über die schönen Nagashima- und Amakusa-Inseln nach Nagasaki. Auf einer schmalen Hauptstrasse krachte es plötzlich hinter mir und David fluchte wie ein Rohrspatz. Eine ältere Dame hatte uns so knapp überholt, dass sie unsere beiden und ihren Rückspiegel wegrasierte. Die Frau bog in den nächsten Feldweg ein und bockte dabei ihr Auto auf, um sich bei uns zu entschuldigen. Uns hätte dieses Missgeschick in keinem besseren Land passieren können: Sie gab uns Geld für neue Rückspiegel, die wir bequem auf Amazon bestellten und drei Tage später in einem Mini-Markt abholten. So geht das hier😊!

Dank der Rückspiegel-Geschichte durften wir uns einmal mehr über die japanische Sprache amüsieren. Neue Wörter werden gerne aus anderen Sprachen übernommen und japanifiziert. So wird der Rückspiegel zum «saidomira» (サイドミラー vom Englischen side mirror), die traditionelle Weihnachtstorte zum «Kurisumasukēki» (クリスマスケーキ vom Englischen Christmas Cake) oder die Kreditkarte zur «kurejittokādo» (クレジットカード). Geschrieben werden diese Wörter in der japanischen Silbenschrift Katakana, welche hauptsächlich für Fremdwörter benutzt wird. Daneben werden im Japanischen aber auch chinesische Schriftzeichen (Kanji), eine weitere Silbenschrift (Hiragana) oder in der modernen Sprache die lateinischen Buchstaben verwendet. Wörter werden ohne Leerzeichen aneinandergereiht und je nachdem von oben nach unten oder horizontal geschrieben. Vertikale Texte werden von rechts nach links gelesen, horizontale normalerweise von links nach rechts, manchmal aber auch umgekehrt. Tscheggsch…? Wir auch nicht😊! Zum Glück müssen wir das komplizierte Schriftsystem nicht verstehen!

Auf eine ganz andere Weise unbegreiflich und verstörend war der Besuch des Atombombenmuseums in Nagasaki. Dazu gibt es keine passenden Worte… Wegen des relativ engen Zeitplans und des erneut einsetzenden Regens sahen wir von der Stadt nicht viel mehr. Am folgenden Morgen fuhren wir im kalten, nassen und stürmischen Wetter nur bis zur nächsten Michi-no-Eki Raststätte. Im geheizten Warteraum verweilten wir den ganzen Tag und durften auf freundliche Aufforderung der Dame vom Lokalmarkt auch die Nacht darin verbringen. Wie gemütlich dieses Wetter doch ist, wenn man von Drinnen zusehen und -hören kann😊!

Der Wintereinbruch veranlasste uns, auf der Fahrt nach Fukuoka keine Umwege zu machen und direkt unsere Unterkunft im Containerhotel anzupeilen. Am letzten Morgen vor der Ankunft in Fukuoka sorgte ein Stangenbruch am Zelt dafür, dass uns während der drei Tage in der Stadt bestimmt nicht langweilig wird…
Den Defekt konnten wir mithilfe eines Grillspiesses aus dem 100yen Laden schnell reparieren (ein Ersatzelement hatten wir dabei), sodass genügend Zeit blieb für eine kleine Stadtbesichtigung, Büroarbeit, Materialpflege und ein vorgezogenes japanisches Mini-Weihnachtsessen. Dazu kauften wir Chicken Nuggets, ein Weihnachtstörtchen und Süsswein… das traditionelle Weihnachtsmenü in Japan😊. Die Warteschlange vor KFC werden wir am Weihnachtstag jedoch nicht mehr miterleben. Dann sind wir nämlich bereits in Taiwan. Obwohl die südwestlichste Insel Japans nur etwa 100km von Taiwan entfernt ist, verkehren keine Fähren mehr und wir müssen mit unseren verpackten Velos das Flugzeug nehmen.

Auch eine weitere Abkehr von unserer Ohne-Flugzeug-Politik zeichnet sich ab. Kürzlich mussten wir die Überfahrt mit der Repositionierungskreuzfahrt von Tokio nach Alaska stornieren. Trotz ewig langen Verhandlungen, über 60 Telefonaten und Emails mit dem Kundenservice weigerte sich die Reederei, unsere Velos auf dem leeren Schiff mitzunehmen. Ein separater Transport der Velos mit dem Flugzeug kam für uns aus mehreren Gründen nicht infrage. Also reisen wir nun via Taiwan nach Südostasien und werden sehen, wie es von dort weitergeht😉.

Und zum Schluss noch dies: Japan, du hast uns gefallen👋!