Der Flug, die Einreise nach Vietnam und das Zusammenbauen der Velos verliefen diesmal problemlos. Nieselregen begleitete uns vom Flughafen bis zu unserer Unterkunft in einem Vorort von Hanoi.

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Weil es die ersten zwei Tage wie aus Kübeln schüttete und danach trüb und nass blieb, verbrachten wir eine ganze Woche im gemütlichen Guesthouse. Hier hatten wir genügend Platz, unser Zelt sowie einige Taschen und Kleider zu flicken. Zudem waren leckeres Essen und guter vietnamesischer Kaffee nur wenige Schritte entfernt. Zweimal fuhren wir mit dem Velo nach Hanoi. Das erste Mal, um Davids Hinterradfelge schon wieder zu ersetzen. Die chinesische Billigfelge, welche wir in Korea für viel Geld einspeichen liessen, bauchte beidseitig und konnte nicht repariert werden. Glücklicherweise hatte ein Mechaniker etwas Passendes an Lager und wir anderthalb Stunden später ein neues Rad. Der zweite Ausflug in die Stadt diente der Besichtigung touristischer Sehenswürdigkeiten, wobei wir die vielen extrovertierten Touristen am sehenswürdigsten fanden😊.

Am Morgen unserer Abreise fiel der gewohnte Nieselregen. Da die Wetteraussichten auch für die kommenden Tage nicht besser waren, verzichteten wir auf die vorgesehene Tour durch Nordvietnam und nahmen Kurs Richtung Westen, wo es trockener sein sollte.
Die Vororte von Hanoi mit Abfall und Lärm waren im Regen besonders unfreundlich. Die Strassen waren zwar asphaltiert, ihre Ränder aber nicht und mangels Abflussmöglichkeiten sammelte sich das Wasser in riesigen braunen Pfützen. Der Sand von der Strasse klebte überall, sodass wir am Abend in Hòa Bình erst eine Unterkunft suchten, nachdem wir den Dreck von Beinen, Velos und Taschen abgespritzt hatten.

Vietnam ist übrigens das erste Land, wo wir nicht mehr selber kochen und in preiswerten Gästehäusern (Nhà Nghỉ) statt im Zelt übernachten. Die Zutaten für ein Abendessen zu kaufen wäre schwieriger, teurer und weniger lecker als in einem der unzähligen Strassenrestaurants einzukehren. Gasthäuser sind verbreiteter als Plätze zum Wildcampen, da jedes Fleckchen Erde bevölkert, bebaut, bepflanzt, überwuchert oder voller Abfall ist. Allerdings ist es ratsam, die Zimmer vor dem Bezug anzuschauen, denn der Zustand und die Sauberkeit sind vielfach nicht erbauend.

Nach einer regenfreien Nacht war die Strasse am nächsten Tag nicht mehr nass, sondern staubig und die Fahrt mit viel Verkehr kein Vergnügen. Weil der Blick aller Verkehrsteilnehmer ausschliesslich vorwärtsgerichtet ist und auch bei Ausfahrten oder Überholmanövern niemals seit- oder rückwärts geschaut wird, mussten wir immer auf der Hut sein. Zudem hat in Vietnam das stärkere Vehikel konsequent Vortritt, was für uns bedeutete, alle paar Minuten einem hupenden Fahrzeugen Platz zu machen.
Die Freude am Velofahren hielt sich in Vietnam gerade in Grenzen. Bei einem frisch gebrauten Kaffee mit sehr viel gezuckerter Kondensmilch, berieten wir, ob wir der Hauptstrasse entlang möglichst schnell aus dem Land herausfahren oder doch den kleinen Umweg durch das Pu Luong Naturreservat nehmen sollten. Zum Glück brachten wir die Motivation für die zusätzlichen Kilo- und Höhenmeter auf! Denn kaum hatten wir die Hauptstrasse verlassen, wurde der Verkehr viel ruhiger und wir hatten Zeit, links und rechts auf die schönen Reisfelder zu blicken.

Nach einem steilen, schweisstreibenden Aufstieg, vielen Hügeln und einer noch viel steileren Abfahrt (18% auf mehreren Kilometern), suchten wir im Tal nach einer Übernachtungsgelegenheit, welche es in Vietnam anscheinend in jedem Dorf gäbe… ausser hier. Eine nette Frau versuchte vergeblich, uns in einem sich im Bau befindlichen Motel unterzubringen. Im Eindunkeln begannen wir talauswärts zu pedalieren, als plötzlich die gleiche Frau auf dem Roller auftauchte. Sie folgte uns extra um mitzuteilen, dass wir in nächsten Weiler bei der Rangerstation schlafen könnten. Bei der besagten Rangerstation, war alles dunkel und niemand da, den wir um Erlaubnis hätten fragen können. Die Dame aus dem Laden gegenüber beteuerte jedoch, dass wir auf dem Vorplatz zelten dürften. Froh über den zugesicherten Zeltplatz gingen wir etwas essen und trafen danach den Ranger an, der für uns einen Raum räumte, damit wir drinnen schlafen konnten. So kamen wir zu einer originellen Übernachtung und waren begeistert von der Hilfsbereitschaft und Spontanität der Leute!

Am nächsten Morgen genossen wir im Aufstieg erneut wunderbare Ausblicke auf die Reisterrassen um Pu Luong. Später an der Hauptstrasse war die Landschaft nicht mehr besonders spannend, dafür faszinierten uns die farbenfrohen Trachten und Frisuren der Bergvölker. Die Frauen aus dem Volk der schwarzen Tai stecken ihre Haare zu einem 10 Zentimeter Bürzi hoch. Weil ihre Frisur unter keinen herkömmlichen Motorradhelm passt, ist seit 2017 ein Spezialmodell mit extra Bürziraum zugelassen😊.

Nicht nur die Trachten und Frisuren, auch die Märkte waren absolut sehenswert. Der Handel von Bäumen und Zweigen als Dekoration für das Vietnamesische Neujahr (Tết) hatte Hochbetrieb. Der Baumtransport auf dem Roller war Männersache. Ansonsten sahen wir jedoch vor allem die Frauen hart arbeiten: Sie sind selbstverständlich für die Kinderbetreuung und den Haushalt zuständig. Dazu zählen neben Kochen, Waschen und Putzen auch die Feldarbeit und Tierhaltung. Zudem nehmen sie den armen Männern die Arbeit beim Be- und Entladen von LKWs, das Schaufeln im Strassenbau oder auf der Baustelle weg! Dem Mann bleibt dann nichts anderes übrig, als den LKW zu fahren, den Betonmischer zu bedienen (ist halt kompliziert) oder als Supervisor tätig zu sein😉.

Wenig erfreut waren wir vom Anblick der in enge Körbe gestopften Schweine und von den unappetitlichen Fleischauslagen auf dem Markt. Zum Glück dominierten auf der Fahrt nach Dien Bien Phu nicht mehr Tierkäfige, sondern saftig grüne Reisfelder das Bild am Strassenrand. Wir konnten uns am Postkarten-Vietnam kaum sattsehen! Ab Dien Bien Phu trennte uns ein langer Aufstieg vom Grenzübergang zu Laos. Eigentlich hätten wir vorgehabt, die Grenze noch heute zu passieren. Weil wir die Fahrzeit unterschätzt haben und die 15 visafreien Tage in Laos maximal ausnutzen wollen, sitzen wir nun in einem Allerweltsladen unmittelbar vor dem Grenzposten. Die liebenswerte Ladenbesitzerin hat uns erlaubt, hier zu übernachten und uns angesichts der Kälte sogar ihr Gästezimmer angeboten. Was für ein toller Abschluss unseres Aufenthalts in Vietnam!

Dieser Beitrag wurde am 3. Februar 2024 publiziert.