Schon kurz nach 7 Uhr hatten wir Vietnam verlassen und fuhren durchs Niemandsland zum Grenzposten von Laos. Dieser war so unscheinbar in einer Kurve platziert, dass es ein Leichtes gewesen wäre, ihn zu verpassen. Aber wir brauchten natürlich den Einreisestempel, der uns einen visafreien Aufenthalt von 15 Tagen erlaubte.

Kurz weigerten wir uns, die «Fahrzeuggebühr» zu bezahlen, realisierten aber schnell, dass diese tatsächlich zu entrichten ist. Die Preise sind auf einem offiziellen Schild deklariert, was indes nicht ausschliesst, dass die Gebühr in die eigene Tasche verschwindet.

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Eine rasante Abfahrt brachte uns ins erste Dorf und dort zur ersten Nudelsuppe, welche in Laos zu unserem Hauptnahrungsmittel werden sollte. Die überwachsenen Berge sahen nach wie vor gleich aus aber etwas hatte sich verändert… alles war viel ruhiger und gelassener als in Vietnam. Ganz besonders auf der Strasse blieb das nervende Gehupe aus. Uns war es recht und wir kurvten gemächlich auf und ab unserem Tagesziel in Muang Khua entgegen. Sehr erfreut stellten wir fest, dass der Standard der Gasthäuser in Laos tipptopp war. In einem sauberen Bett schliefen wir wunderbar bis wir am nächsten Morgen das Boot nach Nong Khiao nahmen.

Während der Fahrt auf dem Fluss Ou stoppten wir ein paarmal, damit immer mehr Erwachsene und Kinder aus den kleinen Flussdörfern zusteigen konnten. Abgesehen von vier Touristen (ein argentinisches Paar und wir) hatten im kleinen Boot 16 Erwachsene, 5 Kinder, 2 Roller, 2 Velos, 2 Hunde und viel Gepäck Platz😊.
Bei einem Staudamm mussten wir zum tiefergelegenen Gewässer pedalieren und in ein anderes Boot umsteigen. Die Einheimischen fuhren auf dem Landweg weiter. Im Touristenörtchen Muang Ngoy stiegen nicht nur die Argentinier, sondern auch der Kapitän aus! Eine Dame, die etwas Englisch sprach, erklärte uns, dass das Boot nicht weiterfährt… zu wenig Passagiere. Wir sollten hier eine Unterkunft suchen und morgen das reguläre Boot nehmen (und natürlich neue Tickets kaufen). Wir blieben beharrlich sitzen und verhandelten gelassen unsere Weiterfahrt. Nach einer stündigen Diskussion fuhr uns ein kleines Transportboot gegen einen akzeptablen Aufpreis privat nach Nong Khiao😀.

Der letzte Reiseabschnitt auf dem Fluss war landschaftlich besonders schön, denn er führte durch Stromschnellen, an scheinbar intaktem Regenwald und imposanten Karstfelsen vorbei. Das touristische Nong Khiao mit seinen schicken Cafés war ein kleiner Kulturschock. Uns hielt es nur eine Nacht in diesem Ort, danach begann die 8-tägige Tour durch abgelegenes Berggebiet nach Luang Prabang.

Die Strasse gönnte uns keine Schonfrist und begann sofort anzusteigen. Sie war erwartungsgemäss in einem schlechten Zustand, was mit dem Velo jedoch kein Problem war, denn die Schlaglöcher liessen sich gut umfahren. Für uns, und noch viel mehr für die Bewohner der Dörfer am Strassenrand, war der Staub das grössere Übel. Insbesondere auf dem 20km langen Abschnitt, wo der Strassenbelag fehlte, war die ganze Umgebung inkl. Menschen in eine dicke Staubschicht gehüllt.

Die Region ist mausarm und es mangelt an Vielem: Bildung, medizinische Versorgung, sauberes Wasser, Essen (abgesehen von Kleibreis und süssen Keksen), Kleidung und Perspektiven. Die unglaublich vielen Kinder spielten an der staubigen Strasse, weil es selbst entlang der «Hauptstrasse» oftmals keine Schule gibt.
Trotz den schwierigen Lebensbedingungen wurden wir in den Dörfern immer enthusiastisch empfangen. Erwachsene machten ihre Kinder auf die ankommenden «Falang» (bedeutet Langnasen oder weisse Ausländer) aufmerksam, worauf uns diese freudig «bye bye Falang», «hello» oder «thank you» entgegenriefen und uns lachend zuwinkten. Obwohl Entwicklungshilfe allgegenwärtig ist und wir praktisch täglich anderen (Velo)Touristen begegneten, wurden wir nie angebettelt. Die Menschen schienen sich ganz einfach über die kleine Abwechslung zu freuen. Zudem fanden die Lao immer einen Grund, mit lauter Musik, Karaoke und viel Alkohol (Schnaps und Bier gibt es zu Genüge) zu feiern.

Auch wenn Armut, Staub, schlechte Strassen und ein überschaubares Essensangebot bestehend aus Nudelsuppe und süssen Snacks nicht dafürsprechen, waren wir sehr gerne in Laos und speziell in den abgelegenen Bergdörfern. Wahrscheinlich waren es die lachenden Kinder, die Gelassenheit und die erfreulichen Gasthäuser, die uns so gut gefielen. Denn die Landschaft zog uns nicht überaus in ihren Bann. Der Blick auf die mehr oder weniger bewaldeten oder gerodeten Hügel war meist vom Smog getrübt und Weitsicht hatten wir selten, weil der nächste Berg oder Pass im Weg stand😊. Richtig abstossend fanden wir die Angewohnheit vieler Leute, Schleim tief aus dem Rachen hochzuhusten, um dann unüberhörbar auszuspucken. Dies auch, wenn gleichzeitig unsere Nudelsuppe zubereitet wurde…  Gruusig, staubige Luft und andere Sitten hin oder her😉.

In Phonsavan erreichten wir die einzige Stadt an unserer Route. Sie beheimatet ein sehr sehenswertes Informationszentrum der Nichtregierungsorganisation MAG (Mines Advisory Group). Die Organisation arbeitet daran, das Land von ungefähr 81 Millionen nicht explodierter Streumunition aus dem Vietnamkrieg zu befreien. Der Besuch der kleinen Ausstellung mit informativem Filmmaterial hat unsere Perspektive auf die Armut um eine Dimension erweitert… (mehr dazu in der Infobox am Ende des Beitrags).

Bis Luang Prabang ging es unverändert hügelig und staubig weiter. Dort, wo die Strasse zur Hauptverkehrsachse wurde, verkehrten wieder mehr Lastwagen. Für uns waren sie (abgesehen von der Staubwolke) nicht unangenehm, denn sie fuhren wegen den Schlaglöchern oftmals langsamer als wir😉.

Die letzte Nacht vor Luang Prabang verbrachten wir wiedermal im Zelt. In einem kleinen Weiler im Tal zwischen zwei Pässen waren sich die Bewohner gestrandete Velofahrer gewohnt. Routiniert wurden wir zum Zelten auf den Schulhausplatz verwiesen. Kinder öffneten uns das Wellblechtor und wiesen uns ein. Das Campieren war solange herrlich, bis die Weberknechte in der Dämmerung eine Invasion lancierten. Bestimmt 20 Stück setzten sich auf unsere Taschen und Kochutensilien. Uääähhh!!!! … Zweifel an meiner Campingfestigkeit in tropischen Ländern kamen auf! Erst nachdem David die aufdringlichsten Achtbeiner erschlagen hatte (Sorry!!! 🙈), konnten wir uns dem Essen widmen.

Luang Prabang ist «die» Destination in Nordlaos und zieht scharenweise westliche Besucher an. In der Touristenblase vergisst man schnell, wie arm und bescheiden das Leben ausserhalb ist. Auch wir Westler gönnten uns drei entspannte Tage in der Stadt, besichtigten Tempel, genossen die Stimmung beim Kaffee am Mekong und besuchten frühmorgens den malerischen Kuang Si Wasserfall.

Unser visafrei-Status gab uns noch drei Tage Zeit, um nach Thailand zu gelangen. Der direkteste Weg führte über eine neue, gebirgige Asphaltstrasse. Weil wir uns vor Höhenmetern nicht fürchten, schlugen wir diese Route ein und liessen uns mit der Fähre über den Mekong setzen. Die Strasse war praktisch verkehrsfrei, was bei Steigungen von durchgehend(!) 12-15% und 3000 Hm auf 70km niemanden überraschen sollte. Bei 34°C haben wir an den Steilhängen sehr viel geschwitzt und geflucht. Wie und wer diese Strasse «geplant» hat, ist uns ein Rätsel.

Wie vorgesehen, überschritten wir am späten Nachmittag kurz vor Ablauf unserer Aufenthaltsfrist die Grenze nach Thailand. Hier dürfen wir die erste Nacht vor der Polizeistation in Chaloem Prakiat zelten. Ein Inspektor brachte uns Mandarinen und versüsste uns damit den Abend beim Blogschreiben und Planen der Zeit in Nordthailand. Ein gelungener Start!

Apropos versüssen: Es ist kein Statistikfehler und wir sind nicht auf Diät… unser Schokoladekonsum hat sich auf 0.0kg reduziert, weil es in Laos und Vietnam keine Schokolade gab…

Das Erbe des Vietnamkriegs

Obwohl Laos offiziell nie im Vietnamkrieg involviert war, ist es pro Bevölkerung das meistbombardierte Land der Welt. Im Vietnamkrieg versorgte Nordvietnam die Vietcong in Südvietnam über den getarnten Ho-Chi-Minh-Pfad. Dieser führte grösstenteils über laotisches Territorium. Dazu waren ca. 40’000 Nordvietnamesische Soldaten in Laos versteckt und unterstützten auch die laotischen Partisanen im Guerillakrieg gegen das damalige Königreich.
Die Vereinigten Staaten besassen in Laos einen geheimen Luftwaffenstützpunkt für die Bombardierung des Ho-Chi-Minh-Pfades und Nordvietnams. Insgesamt warfen sie 4 Millionen grosse Bomben und 270 Millionen Streubomben (Bombies) ab, mehr als im gesamten Zweiten Weltkrieg! Von den Streubomben sind ca. 30% nicht explodiert (Unexploded ordnance, UXO).
Heute liegen die Bombies bis zu 30cm unter der Oberfläche, wodurch Landwirtschaft lebensgefährlich ist. Nach 30 Jahren Räumungsarbeit sind nicht einmal 1% der UXO entschärft. Noch immer sterben jährlich 11 Menschen an UXO, unzählige werden verunstaltet und verstümmelt.

Folgende Nichtregierungsorganisationen beteiligen sich an der Minenräumung in Laos:

Ein Beispiel fanden wir besonders eindrücklich: Bei der Kontrolle einer Schule fand MAG auf dem Gelände 11 nicht explodierte Streubomben. Diese haben die gleiche Grösse und Form wie eine Kugel des beliebten Petanque-Spiels…